Viktor Farkas ” LÜGEN IN KRIEG UND FRIEDEN ”
Die geheime Macht der Meinungsmacher

Orac-Verlag ISBN 3-7015-0464-4
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Leseproben

Macht über die Köpfe

Wie glauben Sie, unterscheiden sich Lügen im Krieg und im Frieden? Die Antwort wird Sie vielleicht überraschen: „Überhaupt nicht!“ Die unliebsame Erkenntnis, daß „Meinungsmache“ uns nicht nur dazu verleiten soll, das Produkt X zu kaufen, das wir gar nicht brauchen, sondern buchstäblich über Leben und Tod entscheiden kann, wird Ihnen, wie ich hoffe, klar machen, wieso die Welt so ist, wie sie ist. Dazu müssen ein paar Worte gesagt werden.

Nachdem er Jahrzehnte ungewöhnlichen Phänomenen auf der Spur gewesen war und Beweise und Zeugenberichte gesammelt hatte, veröffentlichte der amerikanische Schriftsteller Charles Hoy Fort 1919 sein „Book of the Damned.“ Ein Buch über Ereignisse, die aus der Wahrnehmung verbannt wurden - nicht weil sie nicht stattgefunden hätten, sondern weil sie mit den herrschenden Vorstellungen nicht vereinbar waren. „Verdammte“ Fakten (daher der Titel), die durch Übergehen, Ignorieren oder Wegerklären der Öffentlichkeit vorenthalten werden sollten. Fort vertrat die feste Überzeugung, daß Wahrheiten verbogen und Tatsachen vertuscht würden. Das gilt, so scheint es vielen, in unseren Tagen in weit größerem Maßen als zu seiner Zeit. Heute wird nicht nur „verdammt“, was bizarr ist, sondern in weit stärkerem Maße, was unerwünscht ist. Dafür werden Absurditäten nonchalant präsentiert und Lügen gebetsmühlenartig wiederholt.

Charles Hoy Fort
Charles Hoy Fort (1874-1932),
der berühmte Chronist des Unerklärlichen.

Haben auch Sie - wie eine wachsende Zahl von Zeitgenossen - nicht auch immer öfter den unbestimmten Eindruck, daß die meisten Informationen selektiert und maßgeschneidert werden? Genau das wird von aufmerksamen Mißtrauischen als Gleichschaltung der veröffentlichten Meinung wahrgenommen. Für sie scheint es, daß so gut wie alle Medien praktisch mit einer Stimme sprechen, wobei jede Nachricht des einen Mediums von den anderen verstärkt oder wiedergekaut wird. Hatten manche kritische Geister früher ein seltsames Gefühl wenn eine bestimmte Nachricht von mehreren TV- oder Radiosendern völlig unterschiedlich dargestellt wurde, so ist es ihnen heute noch unheimlicher, wenn um Kernprobleme herumgeredet wird oder Meldungen nur einmal kurz „aufblitzen“ und danach nie wieder erwähnt werden während weit Unwichtigeres bis zum Erbrechen wiederholt wird. Nachrichten werden heute im Rhythmus einer Produktwerbung im Gehirn aufgenommen und verarbeitet, wie es ein Medienkritiker ausdrückte, der ausgerechnet hat, daß die Länge einer einzelnen Nachricht von durchschnittlich 42,3 Sekunden im Jahr 1968 auf nur noch 9,9 Sekunden geschrumpft ist.

Wer glaubt, heute im Zeitalter der „totalen Information“ wüßten wir alles, dem sei versichert, daß mehr Informationen auch mehr Des-Informationen bedeuten können. Haben Sie beispielsweise gewußt, daß CNN zwei unterschiedliche Versionen über den sogenannten „Krieg gegen den Terror“ senden soll: eine für das US-Publikum und eine andere für den kritischeren Rest der Welt? In dieselbe Kerbe schlagen wohl auch die verbissenen Bemühungen der genau dafür abgewählten spanischen Regierung Aznar nach den verheerenden Zugsanschlägen vom 11. März 2004 (911 Tage nach dem 11.9.2001 - was immer das auch bedeuten soll), die ETA als einzigen Täter zu präsentieren, einschließlich kolportierter Anweisungen an Nachforschungsorgane und Behörden, keine andere Version gelten zu lassen. Ein klassisches Beispiel manipulierter und gesteuerter Nachrichten, wozu laut einer CNN-Reporterin auch die zum Irak-Krieg von 2003 ausgegebene Weisung über „die Pflicht zu einer regierungsfreundlichen Berichterstattung“ zählt.

Darum haben immer mehr Menschen den Eindruck, in einer als Medienkonstrukt empfundenen Wirklichkeit zu leben.

Der Wirklichkeit auf der Spur

Hand auf’s Herz: Fällt Ihnen wirklich immer der Widersinn auf, der fast täglich in den Medien von Experten und Politikern verzapft wird?

Zum Beispiel: daß ewiges Wirtschaftswachstum sein muß, daß Bombardements eine „humanitäre Pflicht“ sein können oder, daß die Globalisierung unvermeidlich ist, daß also die Übertragung von staatlichen Versorgungseinrichtungen, lokalen Ressourcen, Wald und Feld, Fauna und Flora an private Investoren der Bevölkerung goldene Zeiten und keineswegs Massenentlassung oder gar Verteuerungen bescheren wird. Demnach erscheint es den medialen und politischen Globalisierungsbejublern als völlig normal, daß in Rußland die nach dem Ende der UdSSR eingesetzte Globalisierung zur Halbierung des Lebensstandards der Masse und zu mehr Milliardenvermögen in Moskau als in New York geführt hat.

Damit sich der schlichte Zeitgenosse nicht seinen Teil denkt, werden desaströse „Nebeneffekte“ der Globalisierung meist nur am Rande erwähnt, in der Regel aber gar nicht publik gemacht. Wie anders läßt sich die mediale Funkstille erklären, die seit den 2003 in Mexiko gescheiterten GATS-Verhandlungen eingetreten ist? Zur Erinnerung: GATS heißt „General Agreement on Trade in Services“ und bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die Übertragung so gut wie allen öffentlichen Versorgungsleistungen (vom Wasser bis zur Post) in private Hände, meist landfremde Megakonzerne, denen das Wohl und Wehe der jeweiligen Bevölkerung herzlich egal ist. Wo sind die Meinungsbildungsprozesse über einen für die Allgemeinheit so wichtigen Vorgang? Wieso wird eine solch veritable Existenzbedrohung statt dessen totgeschwiegen? Und: Wieso machen die „Volksvertreter“ da eigentlich mit, wenn doch mittlerweile jeder weiß, welch schweren Schaden Wohlstand und Demokratie dabei nehmen dürften? Das sind Fragen, die kaum beantwortet werden weil sie nämlich gar nicht erst öffentlich gestellt werden, wie immer häufiger beklagt wird. Und wenn sie doch gestellt werden, kann es peinlich werden. Mir selbst ist unvergeßlich, wie ein aufgebrachter Bürger einen Mandatar bei einer Straßendiskussion mit der Frage konfrontierte, wieso wir eigentlich unser Wasser „schützen“ müssen, da es doch uns gehört. Der beste Schutz wäre doch wohl, es schlicht und einfach nicht zu verkaufen. Das Antwortgestammel des Befragten hat sicher unter den Zuhörern neue Verschwörungstheoretiker geschaffen, wenn ich die nachfolgenden lautstarken Äußerungen richtig interpretiere.

Für manche ist die unwidersprochene Behauptung, die Globalisierung sei naturgegeben und nicht etwa von Interessengruppen lanciert, die größte Lüge überhaupt.

Wie zum Ausgleich für einseitiges Mediengetöse hört man von anderem so gut wie nichts. Beispielsweise von der rasenden Bevölkerungsexplosion, die noch vor einiger Zeit als die größte Bedrohung des Lebens überhaupt angesehen wurde. Dabei drängen nach wie vor Tag für Tag 300-350.000 neue Bürger in den Selbstbedienungsladen Erde, die essen, trinken, wohnen, konsumieren und verschmutzen wollen (jährlich zwischen 80- und 120 Millionen, je nach Statistik). Auch von den Nebeneffekten hört man kaum etwas, beispielsweise davon, daß die rasant wachsenden Viehherden durch ihre Methanausdünstungen für einen beträchtlichen Teil der Erwärmung der Erdatmosphäre verantwortlich sein können. Desgleichen wird über die mit steigendem Bevölkerungsdruck zunehmende Kriegsgefahr der Mantel des Schweigens gebreitet. Gänzlich totgeschwiegen wird der Zusammenhang von wachsender Bevölkerung und wachsender Armut, auf den Fachleute immer wieder, wenn auch ungehört hinweisen. Genauso wird unter den Teppich gekehrt, daß eine weltweite Verbreitung unseres Lebensstandards zum sofortigen Untergang der Ökosphäre führen würde.

Auf die Frage, wie die Bevölkerungsexplosion in den Griff zu bekommen sei, erhält man stets die reflexartige Antwort: Bessere Ausbildung/Chancengleichheit für Frauen in den Drittweltländern/Familienplanung/Gesundheitsvorsorge, etc. wäre gleichbedeutend mit mehr Komfort und Sicherheit, und damit weniger Kinder. Leider hat diese Gleichung ihre Schwächen. In „Kaira“, einem der 335 indischen Verwaltungsbezirke wurde einmal acht Jahre lang von Entwicklungshelfern ein Feldversuch mit erhöhtem Lebensstandard durchgeführt. Der „Erfolg“ des Versuchs: Nach den acht Jahren lag die Geburtenziffer über dem nationalen Durchschnitt.

Favelas
So werden nach Ansicht von Fachleuten im Dritten Jahrtausend die meisten menschlichen Siedlungen aussehen.

Ungeachtet aller Ungereimtheiten wird das Wohlstandsgefälle als alleinige Quelle aller Konflikte angeprangert. Ohne sich des Widerspruchs bewußt zu sein, wird oft im gleichen Atemzug erwähnt, daß ein Zivilisationsbürger 4-8 Tonnen Energieträger im Jahr verpulvert, ein Drittweltbewohner aber nur etwa 0,10-0,20 Tonnen. Fällt denn niemandem auf, was passieren würde, wenn die Drittweltbewohner denselben Energieverbrauch hätten wie unsereins? Die in einem solchen Fall produzierten zusätzlichen Müll- und Chemikaliengebirge könnte unser geschundener Planet nicht verkraften.

Die Industriestaaten verbrauchen 50 Prozent aller verfügbaren Fisch- und Fleischbestände und 65 Prozent des Erdöls, beim Papier sogar 85 Prozent. Dafür produzieren sie unglaubliche Mengen schwer verrottbaren Industriemülls, der die Erde auf Jahrzehnte vergiftet. Diese immensen Verbraucher und Vergifter stellen aber nicht einmal ein Fünftel der Weltbevölkerung. Wer sich in der sogenannten Zivilisation wünscht, die restlichen vier Fünftel der Erdbevölkerung mögen es ihm gleich tun, hängt nicht am eigen Leben und am Fortbestand des Homo sapiens. Sechs oder mehr Milliarden Verbraucher von jährlich 4-8 Tonnen Energieträgern, verbunden mit derselben Industrie- und Dreckproduktion wie die Erste Welt sie als Voraussetzung ihres Wohlstands an den Tag legt, das soll ein Überlebensprogramm sein? Obwohl wir dabei gemeinsam ins Gras beißen müssen, wird genau dieses Selbstvernichtungsprogramm offiziell propagiert.

Abweichler vom dahingehenden Einheitsjournalismus haben das Dilemma mit rotzigen Formulierungen auf den Punkt gebracht: „Eine Rolle Toilettenpapier pro Drittweltbewohner und Woche würde die Erde baumlos hinterlassen“ und, noch apokalyptischer: „Wenn jeder Inder einen Kühlschrank hätte, wäre die Erdatmosphäre jetzt schon kaputt“. Diese Entwicklung, die ebenso wie das sakrosankte Wirtschaftswachstum unweigerlich in einen veritablen Weltuntergang münden muß, scheint trotz brennender Aktualität kein Thema mehr zu sein.

Anderes war von vorne herein niemals ein Thema. Stichwort „Staatsterrorismus“ (des Westens). Erinnern Sie sich, daß davon jemals offiziell die Rede war? Nach dem 11, September ist dieses Vokabel noch verpönter. Wer es in den Mund nimmt, muß mit einer Hexenjagd rechnen, auch wenn er nur die Wahrheit sagt. Wie anders soll man nämlich - wenn man ehrlich ist - die endlose Reihe von Überfällen auf andere Länder, Interventionen, Beseitigung von unliebsamen Staatsoberhäuptern, Aufeinanderhetzen von Stämmen und Volksgruppen und was der Gewaltakte noch mehr sind, die vom Westen, primär von den USA, seit Jahr und Tag praktiziert werden, bezeichnen? Oder wissen Sie eine bessere Bezeichnung dafür, wenn ein mächtiges Land nach einer systematischen Lügen- und Verleumdungskampagne über ein weit weniger mächtiges Land herfällt um sich in den Besitz seiner Ölquellen zu setzen, dabei Tausende Einwohner dieses Landes auf oftmals bestialische Weise (z.B. durch Napalm) umbringt und nach der Besetzung auf breiter Basis zu foltern beginnt, nachdem zuvor bereits eine geschätzte halbe Million Kinder aufgrund von Sanktionen, die auf Betreiben des mächtigen Landes verhängt wurden, ums Leben gekommen sind?

„Staatsterrorismus“ - ein echtes Tabuwort, das in den offiziellen Medien so gut wie gar nicht vorkommt. Politiker äußern es nie. Akademische „Experten“ reden darum herum obwohl sie vieles erklären könnten, wenn sie sich zu der Aussage durchringen würden, daß auch Staaten Terror ausüben können. „Staatsterrorismus“ wäre - so man den Begriff akzeptiert - die bedrohlichste aller Terrorformen, denn er hat die Kapazität, nicht einige Hundert, sondern Hunderttausende oder Millionen Menschen zu töten.

Bombardierender Stealth-Bomber
Bombardierender Stealth-Bomber

Mit dieser Art von Terrorismus kann sich der heute dauernd im Munde geführte internationale Terrorismus nach Ansicht von Fachleuten nicht nur ihn keiner Weise messen, sondern ist ihrer Meinung nach mit größter Wahrscheinlichkeit nicht selten sogar die Antwort darauf.

Mittlerweile legen die USA eine respektgebietende Meisterschaft an den Tag, ihren Staatsterrorismus zum gerechten Krieg umzufunktionieren. In einem fiktiven Dialog, der nur im ersten Moment erheitert, schildert der Autor und Medienwissenschaftler Al Franken i n seinem 2003 in den USA erschienenen Beststeller „Lies and the Liars who tell them“ wie die Regierung Bush nach dem 11. September in Sachen Patriotismus, Kriegslegitimierung und Maulhalten in die Offensive gegangen ist. Laut Franken fertigt die Regierung den fragenden Bürger nach folgendem todsicheren Schema ab; ein Musterbeispiel für manipulativen Dialog, bzw. Nicht-Dialog:

(Bürger) Warum hassen die Terroristen Amerika?
(Regierung) Sie hassen uns, weil sie böse sind.
(B) Mehr steckt nicht dahinter?
(R) Genau. Sie sind böse. Und sie hassen uns wegen unserer Freiheit.
(B) Sie hassen uns wegen unserer Freiheit?
(R) Aber eigentlich, weil sie böse sind.
(B) Ich weiß, daß sie böse sind. Ich dachte nur, wenn wir vielleicht verstehen würden, was genau der Auslöser für...
(R) Warum nehmen Sie die Terroristen in Schutz?
(B) Ich nehme sie nicht in Schutz. Sie sind böse. Darüber brauchen wir uns nicht zu streiten. Es ist doch nur so: Wenn wir verstehen ...
(R) Warum stehen Sie auf Seite der Terroristen?
(B) Tu ich doch gar nicht! Ich verabscheue Terroristen! Ich meine nur, wenn wir den nächsten Anschlag verhin...
(R) Wie können Sie Al-Kaida verteidigen!
(B) Glauben Sie mir, ich verteidige die Terroristen nicht. Was sie getan haben, war furchtbar und ist nicht zu entschuldigen. Sie sind böse. Ich wollte nur...
(R) Warum nehmen Sie dann die Terroristen in Schutz!
(B) Das tue ich nicht. Ich versuche nur zu sagen, daß wir daraus lernen...
(R) Warum hassen Sie Amerika!

Für viele scheint im Medienzeitalter Unwissenheit Trumpf und das Verschweigen der Wahrheit an der Tagesordnung zu sein. Wenn einem täglich der „Kampf gegen den Terror“ aus den Medien anspringt, verblassen die dauernden Bocksprünge zur Legitimierung von Angriffskriegen.

Kaum war das Massenvernichtungswaffengetöse der Propagandamaschinerie einigermaßen verebbt, wurde die Öffentlichkeit mit den humanitären Gründen für den Irak-Feldzug bombardiert. Ausflüchte, die nach dem Auffliegen des Folterskandals ebenfalls, gelinde gesagt, beschädigt erscheinen. Danach ging man dazu über, zu argumentieren, noch sei die Bilanz positiv, da Saddam Hussein immer noch mehr Iraker umgebracht hatte als die „Befreier“ (die halbe Million Sanktionsopfer allerdings nicht mit eingerechnet). Eine endlose Kette von „Gehirnwäsche“, wie manche meinen. Für sie waltet der Geist von Kafka oder Orwell, wenn Präsident Bush nicht müde wurde zu erklären, man verließe den Irak nicht bevor „der Job erledigt sei“, jedoch nie die Frage gestellt wird, was denn nun eigentlich besagter Job sei.

Die wahren Hintergründe der meisten blutigen Schmierenkomödien auf der Weltbühne lassen sich zwar eruieren - Schlagzeilen wird man darüber allerdings vergeblich suchen. Nicht zuletzt, weil nach Fachleuten d ie großen multinationalen Konzerne zunehmend kleine und unabhängige Zeitungen, Verlage und Sender verdrängen und vernichten. Das führt zur Bildung immer mächtigerer Meinungsmonopole und zur schleichenden Aushebelung von Presse- und Informationsfreiheit.

Die Suche nach der Wirklichkeit kann eine heikle Angelegenheit sein. Nicht zuletzt weil jenen, die uns so gekonnt einseifen, ein unglaublich differenziertes Arsenal zur „Wirklichkeitsschaffung“ zur Verfügung steht (von zarter Lenkung über unterschwelliges Einflüstern bis zur unwiderstehlichen Mediendampfwalze), durch das so gut wie alles als Wahrheit präsentiert werden kann.

Wer ist ein Terrorist?

„Die dominierende Weltanschauung besteht
nur aus den drei Sätzen: Viel verdienen.
Soldaten, die das verteidigen und
Kirchen, die beides segnen.“

Der deutsche Präsident Gustav Heinemann 1955 bei einer Rede in der Frankfurter Paulskirche

Jeder von uns ist vielleicht ein Terrorist, wir wissen es nur nicht. Wie das? Nun, möglicherweise s ind Sie ein Gegner unbeschränkten Transits weil Ihnen die Gesundheit der Anrainer am Herzen liegt oder Sie selbst zu den gequälten Anrainern gehören. Vielleicht hätten Sie es gerne, daß die Umwelt nicht zum Teufel geht und daß Tiere um des Profites wegen nicht bestialisch gequält werden.

Hühnerbatterie
Hühnerbatterien und Tierfabriken, „Markenzeichen“ des „entfesselten Marktes“?

Wenn Sie so denken und fühlen, dann, ja dann können Sie sich vielleicht schon bald auf einer Ebene mit Selbstmordattentätern und Anarchisten finden. Daß eine solche Realitätsverdrehung sehr wohl bewerkstelligt werden kann, demonstriert nach Ansicht von Medienkritischen die Art und Weise wie die offizielle „Terrordebatte“ seit einiger Zeit über die Weltbühne geht. Sie argumentieren mit dem Blick auf unser großes Vorbild USA etwa so:

Im „Land of the Free“ läßt die Furcht vor dem (in den Medien) allgegenwärtigen Terrornetzwerk Al Kaida das Gros der US-Bürger vergessen, daß es ihnen von Jahr zu Jahr schlechter geht. Die idyllischen Zustände, die man in Rock Hudson und Doris Day-Filmen bewundern kann, dürften einer wachsenden Zahl Unterprivilegierter wie solche auf einem anderen Planeten vorkommen. Soweit Statistiken überhaupt verfügbar sind, sollen zu Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts vierzig bis fünfzig Millionen Amerikaner tatsächlich bettelarm sein. Wohltätigkeitsgruppen legen noch ganz andere Horrorzahlen jenseits offizieller Statistiken vor. Ihnen zufolge sind an die 30 Millionen Amerikaner jeden Monat auf öffentliche Ausspeisungen angewiesen. Das wäre mehr als jeder zehnte. 1999 lebten in den USA über eine Million Kinder auf der Straße. Das ist der höchste Stand seit der großen Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren, nur mit dem Unterschied, daß kein New Deal in Sicht ist. Wie in Indien gibt es bereits fix Angestellte, die tagsüber einer regulären Tätigkeit nachgehen und die Nacht, nicht selten mit ihren Kindern, in Obdachlosenasylen verbringen weil in manchen Gegenden eine Wohnung selbst für durchschnittliche Verdiener unerschwinglich ist. Dafür gibt es bereits den offiziellen Terminus „working poor.“ Auch hier ist die Tendenz steigend.

Nach Veröffentlichungen sind 270 Millionen Amerikaner rein rechnerisch mit 25 000 Dollar verschuldet. 2002 lebten 33,4 Millionen Amerikaner unter dem Existenzminimums, 2004 sollen es 34,8 Millionen sein, das sind 1,4 Millionen mehr, 12,4 Prozent aller US-Bürger. 12,2 Millionen verarmte Kinder (17,2 Prozent aller Heranwachsenden). Hauptgrund der Armut ist der Verlust des Arbeitsplatzes, Überschuldung mit Kreditkarten und die wachsende Zahl an Amerikanern, die keine Krankenversicherung haben (2003 kolportierte ca. 43,6 Millionen Amerikaner). Seit Beginn der Amtszeit von US-Präsident Bush sind mehr als 3 Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen, aber das global agierende Kapital ist explodiert! Von all dem lenkt der seit dem 11. September allgegenwärtige „Kampf gegen den Terror“ ab.

US-Armut
Zeitungsausschnitt über US-Armut

Die Ankündigung, die EU-Transitwege auch mit Gewalt freizuhalten, zeigt für viele, daß die US-Verhältnisse zum Sprung über großen Teich ansetzen oder „Good Old Europe“ bereits erreicht haben, wie manche unter Hinweis auf Entwicklungen wie „Hartz IV“ in Deutschland vermuten. Andere konstatieren eine Rechtsverschiebung vom Menschenrecht zum Konzernrecht.

Wenn diese Entwicklung anhält, was stark befürchtet wird, könnten sich schon bald Zeitgenossen, die sich aktiv für eine gesunde Zukunft ihrer Familien, für lokale Betriebe, für die Erhaltung sozialer Standards, die teilweise von Bismarck(!) eingeführt wurden oder für eine intakte lebenswerte Umwelt einsetzen, schnell in den Verdacht geraten, üble Nationalisten, oder - schlimmer noch - Sympathisanten des Terrors zu sein. Nicht der Terror des Transitverkehrs, der den Menschen den Schlaf, die Gesundheit und den Lebensraum nimmt, ist von Übel, sondern jeder, der sich für das Leben stark macht. Damit vielleicht auch Sie, wenn Sie das Pech haben, an einer Transitroute zu leben, wenn Sie das Leid tagelang ohne Wasser transportierte Tiere nicht ertragen wollen oder wenn Sie Tierfabriken zum Kotzen finden. Sehen Sie: so leicht kann man zum „Terroristen“ werden...

„Künstliche Nachrichten“

„Das zwanzigste Jahrhundert wurde durch
drei große Entwicklungen gekennzeichnet:
das Wachsen der Demokratie, das Wachsen
der Macht der Konzerne und das Wachsen
der Propaganda, um die Konzerne vor
der Demokratie zu schützen.“

Alex Carey, australischer Soziologe

PR-Fachleute wie der PR-Genius Edward L. Bernays, der in meinem Buch vorgestellt wird und dem der zweifelhafte Titel „Vater der Verdrehung“ verliehen wurde, haben erkannt, daß es eine unschlagbar effektive Methode gibt, um Meinungen zu machen oder zu bekämpfen: Man muß die Öffentlichkeit mit maßgeschneiderten Informationen überschwemmen. Konkret gesagt, mit Propaganda, die als „Nachrichten“ verkleidet daherkommt.

Bernays
Edward L(ouis) Bernays (1891-1995 ), der Meister der Manipulation.

In Werbeseminaren gibt es oft Erstaunliches über diese Art der „Volksinformation“ zu vernehmen, beispielsweise die kolportierten Hintergründe der Einführung von verbleitem Benzin.

1922 entdeckte ein großer amerikanischer Autokonzern, daß die Beigabe von Blei zum Benzin mehr PS bringt. Als es dagegen Bedenken gab, soll der Konzern, so geht die Mär, das Bergbauamt dafür bezahlt haben, einige gefälschte „Versuche“ durchzuführen und zu veröffentlichen, die „bewiesen“, das Einatmen von Blei sei harmlos. Durch einige seltsame Zufälle, so hieß es weiter, veröffentlichte ein Institut für Medizinische Forschung, dessen Gründer Vorstand bei besagtem Autokonzern war, bald darauf Forschungsberichte, die aussagten, daß Blei von Natur aus im Körper vorkommt und daß der Körper geringe Bleiaufnahmen ausscheiden kann. Besagtes Institut widersprach jahrelang allen Anti-Blei-Studien. Ohne organisierten wissenschaftlichen Widerstand wurde in den nächsten sechzig Jahren mehr und mehr Benzin verbleit, bis in den 1970ern schon 90 Prozent des Benzins verbleit waren. Letztendlich wurde es doch zu offensichtlich, daß Blei ein starkes Karzinogen ist, so daß verbleites Benzin in den späten Achtzigerjahren langsam abgeschafft wurde. In den sechs „Blei-Jahrzehnten“ sind schätzungsweise etwa 30 Millionen Tonnen Blei staubförmig auf Amerikas Straßen und Autobahnen freigesetzt worden. 30 Millionen Tonnen.

Mittlerweile hat es sich bei vielen Medien eingebürgert, Abschnitte von lancierten Meldungen komplett ohne Bearbeitung zu übernehmen. Politische Agendas natürlich auch und die ganz besonders, denn die werden nicht selten ultra-professionell ohne Rücksicht auf die Kosten produziert und lesen sich extrem griffig. So konnten Schöpfungen von PR-Agenturen wie die „Brutkastenlüge“ vor dem Irak Krieg von 1991 oder die Lügen im Zusammenhang mit dem Kosovo-Krieg 1998/99 als „Nachrichten“ unter die Leute kommen. Das ist schon viel länger so, als viele glauben.

Propaganda, die „unter die Haut geht“

Fast täglich hören wir, daß Krieg geführt wird, „um die Welt sicherer für die Demokratie zu machen“. Dieser Slogan ist nicht neu. Mit genau diesen Worten wurde den absolut nicht kriegsbegeisterten US-Bürgern der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg schmackhaft gemacht. Natürlich nicht nur mit diesen Worten, sondern mit einer Propagandamaschinerie, wie die Welt sie niemals zuvor gesehen hatte (über den zusätzlich vorgeschobenen verlogenen Kriegseintrittsgrund, die Versenkung der „Lusitania“, gibt es Ausführliches in meinem Buch „VERTUSCHT. Wer die Welt beherrscht“).

Am 13 April 1917, eine Woche nach dem Kriegseintritt der USA, rief US-Präsident Woodrow Wilson das „Committee on Public Information CPI“ ins Leben, um den Krieg populär zu machen. Das CPI heuerte Topleute aus dem PR-, Wirtschafts- und Medienbereich sowie aus der akademischen Welt und jener der Kunst an. So war es möglich, Werbe- und PR-Techniken mit den modernsten Erkenntnissen der Psychologie, Wirtschaft und Ästhetik in einer Weise zu verbinden, wie sie die Welt noch nie erlebt hatte. In diesen Tagen soll auch die heute in Amerika gängige Praxis aufgekommen sein, Verbindungsoffiziere der Armee an den Schulbetrieb zu integrieren.

Als erstes implementierte das CPI eine Medienzensur, wie man sie erst seit dem 11.9. und dem Irak-Krieg von 2003 für gegeben hält. Weit gefehlt. Wie heutige Reporter, die entweder „eingebettet“ im Panzer dorthin gefahren werden, wo man sie haben will oder vom Pentagon vorgekaut bekommen, was „Sache“ ist, fügten sich schon damals die Berichterstatter zähneknirschend den ausgegebenen Richtlinien, um nicht völlig vom Informationsfluß ausgeschlossen zu sein.

Selbstverständlich trat auch auf Seiten der Mittelmächte sofort bei Kriegsausbruch eine totale Pressezensur in Kraft (Opfer wurden keine genannt, Verluste gab es nicht, usw. das Übliche eben). Ansonsten vermißt man auf dieser Seite alles, was man als effektive PR bezeichnen kann. Die deutsche Propaganda funktionierte in Amerika überhaupt nicht, da sie mit Logik argumentierte anstatt mit Leidenschaft. Erklärungsversuche, man würde keineswegs die Weltherrschaft oder die Abschaffung der Demokratie in den USA oder in England anstreben, stießen bei der alliierten Bevölkerung auf taube Ohren soweit sie überhaupt gehört wurden. An der Heimatfront sparten die Mittelmächte allerdings nicht mit Sentimentalität. Sie bedienten sich dazu beispielsweise patriotischer Postkarten und der neu aufgekommenen Bildzeitungen oder verteilten Kartenspiele, die als Motive die schwarzen oder braunen Hilfstruppen der Engländer, Franzosen und Amerikaner als „Untermenschen“ zeigten. An letzteres wurden manche Historiker erinnert, als die Amerikaner nach dem Einmarsch in den Irak 2003 ein Kartenspiel herausbrachten, auf dem die 52 meistgesuchten Iraker, beginnend mit Saddam Hussein, abgebildet waren. Nichtsdestotrotz muß die Perspektive gewahrt werden: Verglichen mit der wissenschaftlich aufgebauten, alle Ebenen durchdringenden Dauer-PR der Westmächte war die deutsch/österreichische Propaganda reine Gartenlaube.

Die insgesamt 19 Abteilungen des CPI ließen eine Propagandalawine los, die die Öffentlichkeit mit Nachrichten, Statements von Akademikern und Künstlern, mit Filmen, Essays, Kurzgeschichten und anderen Druckerzeugnissen bis hin zu Plakaten, Comic Strips und Zeitungscartoons überschwemmte. Historiker schätzen, daß Woche für Woche mehr als 20.000 Zeitungskolumnen „Informationen“ aus den Werkstätten des CPI enthielten, die regelmäßig von mindestens 12 Millionen Lesern konsumiert wurden, zu der Zeit rund ein Viertel der US-Bevölkerung.

Das damalige (und vielleicht auch heutige) Credo des CPI lautete simpel und wirksam: „Ziele auf’s Herz, nicht auf den Verstand.“ Slogans wie „Der verbrecherische Kaiser“ fielen ebenso auf fruchtbaren Boden wie „Blutendes Belgien“ oder die konkrete Aufforderung „Schlagen wir die Hunnen zurück, zeichnen Sie Liberty Bonds!“

Geld, um Werbefläche in Zeitungen kaufen, stand den Propaganda-Kriegern in den USA reichlich zur Verfügung. Hollywood sperrte sich auch nicht gegen die Produktion von Kriegspropaganda. Filme mit Titeln wie „The Kaiser: The Beast of Berlin“ oder „Wölfe der Kultur“ überschwemmten die Kinos. Daß man die Deutschen als „die neuen Hunnen“ zu betrachten hatte, war ohnedies klar. Ein Streifen mit dem Titel „To Hell With The Kaiser“ war so beliebt, daß in Massachusetts die Polizei einschreiten mußte weil die Kinokarten ausverkauft waren und ein wütender Mob mit Gewalt Einlaß wollte.

Als besonders wirksam erwiesen sich die vom Boulevardjournalisten George Creel, der das CPI offiziell leitete in dem Bernays de facto den Ton angab, etablierten „Four Minute Men“. Das waren handverlesene begnadete Redner, die in Kinos vor Filmbeginn etwa vier Minuten lang flammende Reden hielten, in denen sie begründeten „warum wir gegen die Hunnen kämpfen müssen“.

Der Patriotismus erreichte unglaubliche Höhen: Dachshunde, die bekanntlich deutschen Ursprungs sind, wurden „Liberty Dogs“ genannt, sogar die „Deutschen Masern“ hießen plötzlich „Liberty Measels.“ Wie war das doch vor dem Irak Krieg von 2003: Hießen die Pommes Frites in den USA nicht plötzlich „Freedom Fries“ statt „French Fries“ weil die Franzosen nicht und nicht bereit waren, beim Angriff auf den völlig abgerüsteten Irak mitzumachen?

Um ja keinen einzigen Bürger links liegen zu lassen, fuhr das CPI auch eine Propaganda-Schiene, die Fachleute als „moderat an den Verstand appellierend”, bezeichnen, auch wenn sie natürlich ebenfalls mit Stereotypen und wilden Verunglimpfungen arbeitete. Hier wurde argumentiert, der Krieg sei notwendig, um die Bedrohung durch die deutsche Industrie auszuschalten und amerikanische Arbeitsplätze zu schützen, um den verhängnisvollen Einfluß deutschen Gedankengutes von den Schulen zu entfernen und - man glaubt es kaum -, um ein Ende mit der „deutschen Musik“ zu machen.

US-Intervention 1917
Dank der Meinungsmacher intervenierte die USA im Interesse mächtiger Gruppen auf einem anderen Kontinent in einem Konflikt, mit dem die US-Bevölkerung nicht das Geringste zu tun hatte.

Besagter Bernays stellte bereits 1918 klipp und klar fest, daß man diese Form der Propaganda ab nun für alle Zeiten und auf allen Ebenen einsetzen würde: „Der erstaunliche Erfolg der Kriegspropaganda öffnete die Augen der ‚intelligenten Wenigen’ für die Möglichkeiten, die öffentliche Meinung zu lenken... Es war nur natürlich, daß sie sich nach dem Ende des Krieges fragten, ob es nicht möglich wäre, solche Techniken auch weiterhin anzuwenden... Früher bestimmten die Herrscher den Lauf der Geschichte schlicht dadurch, daß sie taten, was sie wollten. Da in unseren Tagen die Nachfolger der Herrscher nicht länger tun können, was sie wollen ohne die Zustimmung der Massen zu haben, finden sie in Propaganda ein Werkzeug, das ihnen diese Zustimmung beschafft. Daher gehört Propaganda die Zukunft.“

Sei es der von der CIA gemanagte Umsturz in Chile 1973, der seltsame Putsch in Venezuela 2003, die Vorspiele zum US-Angriff auf Afghanistan 2001 und auf den Irak 2003, über all diesen PR-Kriegen, die echte Kriege vorbereiteten, weht für Insider der Geist von Bernays und seinen Epigionen - geschichtsformende PR, die in das Leben jedes Menschen eingreift.

Bernays-Buch
In seinem 1928 erschienen Buch „Propaganda“ erklärte Bernays die Techniken zur Erzeugung der öffentlichen Meinung. Und das mit einer Deutlichkeit, die Medienforscher zur Ansicht gelangen ließ, Bernays hätte von Anfang an viel Weitgesteckteres im Auge gehabt, als lediglich den Markt aufzumischen.

O-Ton Bernays: „Wer die ungesehenen Gesellschaftsmechanismen manipuliert, bildet eine unsichtbare Regierung, welche die wahre Herrschermacht unseres Landes ist. Wir werden regiert, unser Verstand geformt, unsere Geschmäcker gebildet, unsere Ideen größtenteils von Männern suggeriert, von denen wir nie gehört haben. In beinahe jeder Handlung unseres Lebens, ob in der Sphäre der Politik oder bei Geschäften, in unserem sozialen Verhalten und unserem ethischen Denken werden wir durch eine relativ geringe Zahl an Personen dominiert, welche die mentalen Prozesse und Verhaltensmuster der Massen verstehen. Sie sind es, die die Fäden ziehen, welche das öffentliche Denken kontrollieren.“

Dazu noch ein Zitat, dessen Urheber Sie garantiert nicht erraten werden: „Seit unserer frühesten Jugend sind wir daran gewöhnt, verfälschte Berichte zu hören, und unser Geist ist sosehr von Vorurteilen durchtränkt, daß er die phantastischen Lügen wie einen Schatz hütet - so daß uns schließlich die Wahrheit unglaubwürdig und die Fälschung als wahr erscheint.“ Es stammt vom phönizischen Geschichtsschreiber Sanchuniathon vor 4000 Jahren.

Die Macht des Wortes

Die „Sprache der Verdrehung“

„Menschen verwenden das Denken nur, um
ihre Übeltaten zu rechtfertigen, und die Sprache
nur, um ihre Gedanken zu verhüllen.“

Voltaire, gesagt 1766

Jahrzehnte nach George Orwell scheint sich öffentlich niemand daran zu stören, daß sich die Bedeutung der Sprache in orwellscher Weise umgekehrt hat. Wenn von „Reform“ gesprochen wird, ist Destruktion gemeint, „Reichtum schaffen“ heißt nichts anderes als das Abschaffen von Wohlstand durch immer größer werdende Konzerne. Endgültig auf den Kopf stellt die Tatsachen für Kritische das heutige Schlagwort vom „Krieg gegen den Terrorismus“. Sie sagen; „ Befreiung ist Besetzung“, „Kollateralschaden ist Massenmord“ und als Fazit: „Der Krieg ist Terrorismus.“ Viele halten die auf mehreren Ebenen laufende Metamorphose der Sprache zum Gestammel für eine besonders perfide Form der Meinungsmache, um es dem Medienkonsumenten immer schwerer zu machen, zu verstehen, was um ihn herum vorgeht. Urteilen Sie selbst.

Orwell-Pledge

Sicher ist Ihnen seltsam aufgefallen, daß i m allgemeinen Sprachgebrauch Terroristen zu Freiheitskämpfern werden und vice versa, wie man es gerade braucht. So befinden sich die Iraker seit dem Frühjahr 2003 im eigenen Land gegen die dort eingefallenen US-Truppen „im Aufstand“ und werden grundsätzlich nur als „Insurgenten“ bezeichnet, welchen angestaubten Begriff man extra dafür aus der Mottenkiste geholt hat. Vergleichbar mit den Indianern, die vor Jahrhunderten auf dem eigenen Kontinent permanent gegen die eindringenden Europäer „rebellierten“, die sie und die Bisons von denen sie lebten massenhaft niedermetzelten. Einige der „eingebetteten“ Berichterstatter entblödeten sich nicht, von Anfang an davon zu sprechen, die US-Truppen würden sich im Irak Gefechte mit „Rebellen“ liefern, als handle es sich nicht um einen Angriffskrieg, gegen den sich irakische Truppen auf ihrem eigenen Staats gebiet verteidigten, sondern um Aufständische gegen eine legitime Regierung. Unter diesem Gesichtspunkt wären natürlich auch Andreas Hofer, Wilhelm Tell, Mahatma Gandhi oder Nelson Mandela Aufständische, wenn nicht gar Terroristen gewesen.

War für die meisten Volksgenossen im Zweiten Weltkrieg noch klar, was in Wirklichkeit über die Kriegs-Bühne ging wenn von geplanter „Frontbegradigung“ die Rede war während der Feind in völliger Auflösung vordrang, so sind die heutigen Widersinnigkeiten zwar nicht weniger absurd, der angeblich mündige (Wohlstands)Bürger hinterfragt sie jedoch schon lange nicht mehr. Apathisch frißt er Blödsinnigkeiten und Unverständlichkeiten wie Minuswachstum ... Freistellung ... Outsourcing ... „Abrutschen“ in die Kriminalität für verbrecherisches Handeln ... Demokratieschaffung für Eroberungskrieg ... Ungestümer Selbstverwirklicher für Mörder ... Gewinnwarnung obwohl es eigentlich Verlustwarnung heißen müßte... Wenn man schon von positiver Diskriminierung sprechen kann, warum nicht endlich von positiver Verschuldung?

Die Verblödungssprache

Aus dem „Informations-Alltag“: Medien berichteten, ein verschollenes Bild von Rubens mit dem Titel „Das Massaker der Unschuldigen“ sei aufgetaucht (wen haben die Unschuldigen massakriert?). Anderswo war zu lesen, Tote wären in den Rücken geschossen worden (da kann man nur sagen: sicher ist sicher). Auch die Feststellung, forensische Untersuchungen hätten ergeben, die Leiche des XY wäre ermordet worden, ist nicht ohne Pikanterie. Desgleichen die Meldung, im tschechischen Atomkraftwerk Temelin sei es bei der Besichtigung der österreichischen Delegation zu einem Eklat gekommen (was hat die österreichische Delegation dort denn aufgeführt, daß sie einen Eklat ausgelöst hat?). Seit dem Auffliegen des Folterskandals im irakischen Abu Ghraib-Gefängnis und in anderen, ist in Nachrichten immer wieder von den Folterungen der US-Besatzer die Rede, dabei glaubte man doch, die Amerikaner hätten Iraker gefoltert. Dagegen mutet die Neuigkeit, eine bislang unbekannte Galaxis sei durch Beobachtung der Teleskope entdeckt worden nachgerade sachlich an.

Ist man einmal an dieses Kauderwelsch gewöhnt, überrascht einem die in mehreren Medien geäußerte Befürchtung vom Frühjahr 2003 kaum noch, es könnte im Zuge des dritten Golfkriegs zu einem Angriff der Türkei kommen, womit nicht gemeint war, die Türkei würde irgendwen angreifen, sondern die Kurden die Türkei. Ebenso antikausal auch die Zeile in einem Teletext: „Wegen des Sturms wurden Dächer abgedeckt und Bäume herausgerissen“ (wohl damit der Sturm keinen Ansatzpunkt findet). Verglichen damit erscheinen Meldungen über Frontalzusammenstöße mit Toten fast schon alltäglich. Leicht makaber muten hingegen die zur Grippezeit regelmäßig herausgegebenen Warnung vor Grippetoten an, als würde es sich bei diesen um herumstreifende Untote handeln. Noch bizarrer ist die nach einem der Anschläge im Irak Ende März 2004 in mehreren Sendern wortgleich gebrachte Meldung, die US-Streitkräfte hätten „aus Rache für die Mörder der vier Angehörigen einer Sicherheitsfirma“ (wie die Angehörigen der Söldner- und Privatarmeen schönfärberisch bezeichnen werden, die völlig unkontrolliert für das Pentagon Krieg führen und sich dabei nicht selten wie die früheren Landsknechte aufführen) einen Gegenschlag gestartet. Wer der Sprache noch einigermaßen mächtig ist, würde sich wohl dagegen verwehren, daß Mörder gerächt werden anstatt der Morde, die sie begannen haben.

An Ankündigungen bei Ausverkäufen wie „Blusen für Damen mit kleinen Fehlern“ hat man sich seit Jahrzehnten gewöhnt. Der Sprache noch nicht völlig Verlust Gegangene ergrimmt es hingegen, wenn sie auch in sogenannten „Qualitätszeitungen“ Sätze wie die folgenden lesen (jedes Wort wahr, denn solches kann man nicht erfinden): „Die Überlebensrate nach plötzlichem Herztod ist um 20 Prozent gestiegen“, „Reduktion der Unfallzahlen durch Halbierung der Toten auf der Straße“, oder wenn die Ankündigung einer Ausstellung so erfolgt: „Besichtigung der Bilder von Kindern, die in der Maltherapie entstanden sind“. Eine andere Ankündigung war noch brutaler: „Ausstellung von Krebspatienten“ (das nenne ich menschenverachtend). Auch die Meldung, ein bekannter Fußballer würde stündlich Vater von Zwillingen, ist nicht ohne. Und was darf man davon halten, wenn man vor einem Restaurant den Hinweis lesen kann „Das Grillen der Pensionisten findet im Garten statt“?

Aber was soll’s, wozu richtiger Grammatik, Syntax oder einfach nur richtigen Formulierungen nachtrauern, wenn die Muttersprache selbst am absterbenden Ast ist (oder zum Absterben gebracht wird)? Auch davon einige Beispiele zur Beurteilung und Erbauung (sofern man ein Masochist ist).

„Do you speak gibberish?“

Aus Kindern sind „Kids“ geworden. Man fährt die „Shopping City“ oder in „Shopping Malls“, denn dort ist gerade „Sale“ im Gange. Dabei kann es schon vorkommen, daß knackige „Models“ über den „Catwalk“ laufen, um „Fashion Update“ oder „Outdoor Dressing“ mit den neuesten „Colours of Spring/Summer/Autumn/Winter“ vorzuführen, alles natürlich „designed to make a difference“. Und für wen das Beste gerade gut genug ist, dem weist die Aufforderung „Go for nothing less!“ den richtigen Weg.

Doch nicht nur der Dialog mit dem „consumer“ oder „buyer“ ist für lediglich Deutsch verstehende Fossilien ein Buch mit Sieben Siegeln, auch Behörden und Medien kommunizieren mit dem Staatsbürger nicht mehr in der Landessprache. In vielen Amtshäusern gibt es mittlerweile einen „Single Point of Contact“ und Arbeitlose (pardon „Freigesetzte“) finden sich in „Job Centers“ ein. Umzugsunternehmen nennen sich heute „move management“, die Post mutierte zur „Yellow station“, die Berliner Müllabfuhr wirbt mit „we kehr for you“. Die Wiener U-Bahn heißt „Vienna Underground“, und Stromversorger frimieren als „Power Grid.“

Statt aus dem Nachrichtenstudio erfährt der Bürger in deutschsprachigen Landen aus dem „Newsroom“ „what’s on the loose“ ist oder wird von einem „News Flash“ getroffen. Es wird „live“ anstatt „direkt“ berichtet. Schneeschaufler werden in den TV-News als „snow worker“ vorgestellt. Sendungen finden nicht mehr zur Hauptsendezeit statt, sondern zur „Primetime“. Man unterhält uns mit „Sitcoms“ . Anfang 2004 entdeckte man in der Österreichischen Nachrichtensendung „Zeit im Bild 2“ den Sendeteil „reality check“, und im Juni 2004 fand in einer Kleinstadt nahe Wien die originelle Veranstaltung „ The Night Before Dorffest“ statt.

Man weist den Medienkonsumenten auf ein „High-speed Weekend“ hin, informiert ihn, daß „Security-Guides“ die „VIPs“ bei Veranstaltungen „backstage“ behüten, oder teilt ihm mit, daß ein „Event“ bedauerlicherweise „gecancelled“ wurde. Wer am akademischen Leben interessiert ist, freut sich über die Ankündigung „University meets public“, sofern er sie versteht. Politiker entschuldigen sich im Fernsehen wenn sie eine Frage nicht beantworten konnten weil sie zu dem Thema nicht ausführlich „gebrieft“ worden sind. Kunden wissen sofort worum es geht, wenn Firmen sie mit „Customer Care“ verwöhnen oder Telefongesellschaften „Happy Digits“ anpreisen. Firmen bemühen sich um eine „balanced score card“ und Banken um „equity.“

Es gibt „Frauen-Power“ und „Girlie-Wonders“. Und für jene, die bereits das Alter überschritten haben, in dem sie sich für Rave Parties oder Wondergirls begeistern, gibt es Seniorenblätter, wie beispielsweise eines mit dem aufmunternden Titel „Best Age“. Wer das alles verdauen will, muß ein taffer Bursche sein, welche neue Wortschöpfung nichts anderes ist, als eine Eindeutschung des englischen Wortes „tough“, das zäh oder hart bedeutet.

Echt erhellend ist folgender Auszug aus der Presseaussendung eines österreichischen Unternehmens, in der unter anderem zu lesen war: „Der Trend, den User in den Mittelpunkt zu rücken, ist auch deutlich in der Neugestaltung der Boomerang-Site zu erkennen... Ab sofort kann sich jeder User seine eigene Nickpage anlegen und diese mit selbst upgeloadeten eCards befüllen... Ein weiteres Ranking informiert über die zuletzt upgeloadeten eCards sowie die ‚Newbies’, daß die Newcomer zum Einstand gleich mit dem gebührenden Traffic willkommen geheißen werden.“

In Prospekten von Sportartikelerzeugern finden sich folgende Produktbezeichnungen: Rage Softbindung, Tecno Pro Flash, Pro Touch Running Socke, Astounding jr. Trainingsschuh, Outburst Daypack, Xtreme light Mumienschlafsack, Firefly Vertical Drop Snowboardjacke, Escape Downtown Kinder/Jugend Freerideboard, Diggit Sowboard Rucksack, Steep and Deep Rucksack oder - besonders originell - ein Stagger Trekkingschuh (stagger heißt nämlich wanken, schwanken, taumeln, sich mit Mühe auf den Füßen halten). Angesichts solcher Wortexzesse nimmt man sogar den gängigen Ausdruck „body bag“ für modische Damentaschen gelassen hin, auch wenn er übersetzt „Leichensack“ bedeutet.

Unter dem Titel „Unternehmen flüchten aus Deutschland“ berichtete eine Tageszeitung, die Gewerkschaften seien über das steigende „ Offshoring“ alarmiert, ein Wort, bei dem ein Leser mit Deutsch als Muttersprache an gar nichts und einer mit Englisch an Bohrarbeiten vor der Küste denkt.

Hier noch ein kleines Potpourri neudeutscher Ausdrücke zum Genießen und Übersetzen: Anchorman, Ballyhoo, Bracket, branding, canceln, Carsharing, Cluster, Content, Coaching, Egghead, Factory outlet, Groove, Impact, Incentive, Lean Management, Outplacement, Pep, Random, RegioCall, Tacker, Tracking... Dazu können manche nur noch bemerken: „Mit hoher Probability loaded ein solches Kauderwelsch manchen User so up, dass er auslogged.

Nicht nur im täglichen Umgang, sondern vor allem in der Werbung ist die englische Sprache ein bestimmender Faktor. Sie gilt heute als das beliebteste Ausdrucksmittel der deutschsprachigen PR-Profis. Interessanterweise werben nicht wenige deutsche und österreichische Unternehmen in Frankreich auf französisch, in Spanien auf spanisch - aber in Deutschland und Österreich auf englisch. Durchgehend oder teilweise englische Texte leuchten in knalligen Farben auf Werbeplakaten in deutschen Landen, flimmern über Fernsehbildschirme und dröhnen aus Radios. Nach dem bekannten Wiederholungsprinzip sollen sie sich in den Köpfen festsetzen wie bestimmte Melodien, die man den ganzen Tag ungewollt vor sich hinsummt. Dabei kann es aber gelegentlich zu Verständnisproblemen kommen wie die Untersuchung einer Werbeagentur ans Licht brachte. Ihre Mitarbeiter haben über 1000 Personen im Alter zwischen 14 und 49 Jahren in den Großstädten Hamburg, Köln und Leipzig aufgefordert, englisch durchmischte Werbespots, in der Fachsprache „claims“ genannt, richtig zu deuten. Da dieser Teil der Bevölkerung der Stolz jedes zielgruppenfixierten Werbers ist, entsetzte das Resultat Agentur und Auftraggeber gleichermaßen.

Weit verbreitete Slogans wie „Be inspired“, „drive alone“ und „powered by emotion“ sagen dem Großteil der Testpersonen gar nichts oder nur Unpassendes. Bei dem tapferen Versuch, die „claims“ wörtlich ins heimische Idiom zu übertragen, lieferten die Testpersonen viel Anlaß zur Heiterkeit. Die Interpretation von „drive alive“ reichte von „fahre lebend“ bis hin zu „Tote fahren nicht.“ Auch die Aufforderung „come in and find out“ war für Lacher gut. Die am meisten genannte Deutung lautete nämlich „Komm herein und finde wieder heraus.“ „Powered by emotion“ übersetzten einige Probanden mit „Kraft durch Freude“, andere verstanden „Strom bei Emotion“. Für den absoluten Höhepunkt sorgte der Spruch „stimulate your senses“, der viele Male mit „befriedige sich selbst“ übersetzt wurde und seltsamerweise auch häufig mit „stimuliere deine Sense“. Den schlechtesten Platz belegte ein Energiekonzern, der über 20 Millionen Euro in den Slogan „one group, multi utilities“ investiert haben soll. 92 Prozent wußten mit der Wortschöpfung absolut nichts anzufangen.

Wenn auch noch angelsächsischer Sprachwitz ins Spiel kommt, sind die Englischkenntnisse der meisten Verbraucher am Ende.

In der Zwischenzeit strotzt die deutschsprachige Welt von “meetings” und „mountain bikes”, „laptops”, „shopping malls”, „city calls”, „service-points” und „sightseeing tours”. E ine ganz normale Faltencreme verlangt heute niemand, der „in“ sein möchte, sondern sagt statt dessen: „Ich möchte eine „anti-aging skin lotion.“ Und an die Öffentlichkeit geht schon lange niemand mehr seitdem man sich „outet.“

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