SCIENCE FICTION - Eine Literaturgattung mit vielen Gesichtern
 

von Viktor Farkas

Auch wenn die Science Fiction oft mehr als düstere Zukunftsszenarien entwirft, so ist sie bei logischer Überlegung aus sich selbst heraus schon positiv, da sie in der Regel davon ausgehen, daß es den Homo sapiens in der nahen und fernen Zukunft überhaupt noch geben wird.

Die Präastronautik/Science Fiction-Connection

Im Jahr 1957 war der Utopia-Großband Nr. 47 von Clark Darlton (Pseudonym von Walter Ernsting, einem der "Väter" von Perry Rhodan und "Nestor der Science Fiction in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg") mit dem Titel "Das ewige Gesetz" nicht überall im deutschsprachigen Raum frei erhältlich. Der Grund dafür lag in der revolutionierenden Themenstellung, die bereits aus der Vorankündigung passagenweise erkennbar ist: "Woher stammt die Menschheit?... Der geheimnisvolle Ursprung der Menschheit... Eine Parallele zur Schöpfungsgeschichte, ohne ihr zu widersprechen..."

"Präastronautik", wie die Forschung über Ungereimtheiten in der menschlichen Stammesgeschichte und auch in der offiziellen Geschichtsschreibung heute heißt, hatte in diesen Tagen den Ruch des Blasphemischen, daher die genannten Bezugsschwierigkeiten. So streng waren einmal die Bräuche. Heutzutage findet niemand etwas dabei, eine mögliche Schöpfung der liebenswerten menschlichen Spezies durch Aliens unaufgeregt, offen und sachlich zu erörtern (Peter Krassa und ich haben vor Jahren zu diesem Thema gemeinsam das Buch "Lasset uns Menschen machen - Schöpfungsmythen beim Wort genommen" verfaßt).

Seither hat Walter Ernsting mehr zum damals inkriminierten Thema geschrieben, beispielsweise den Bestseller "Der Tag, an dem die Götter starben", einen sogenannten "Tatsachenroman" über einen außerirdischen Besuch auf der Erde in grauer Vorzeit. Ein weiterer Roman von Walter Ernsting als Clark Darlton "Die Neun Unbekannten" schlägt ebenfalls in die präastronautische Kerbe, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Darin geht es um die Überlieferung von unsterblichen alten "Wächtern der Menschheit", für deren Existenz es sogar Indizien zu geben scheint. Ich selbst habe ihnen in meinen Büchern "Jenseits des Vorstellbaren" und "Geheimsache Zukunft" nachgespürt und bin auf Erstaunliches gestoßen.

DIe neun Unbekannten
Darlton: Die neun Unbekannten

Erich von Däniken, den man als "Nestor der präastronautischen Forschung" bezeichnen könnte, sagt, daß ihn die Bücher seines späteren Freundes Walter Ernsting, die er als junger Mann gelesen hatte, zu seinen eigenen präastronautischen Forschungen inspiriert haben, die seinen Weltruhm begründeten. Der ausgebildete Ingenieur Walter Ernsting wiederum sagte in einem Interview, das in dem von ihm ebenfalls unter dem Pseudonym Clark Darlton verfaßten Utopia Großband Nr. 44 "Und Satan wird kommen" abgedruckt wurde: "Schon als Kind interessierten mich bereits die klassischen Sagen aller Völker, und ich dachte mir, all diese geheimnisvollen Geschichten können doch nicht einfach erfunden worden sein... Hat es schon einmal auf der Erde die Raumfahrt gegeben? Schon einmal Atomwaffen?..." Womit sich der Kreis von Science Fiction zur menschlichen Vorgeschichte schließt, und zwar von beiden Seiten.

Was bei näherer Betrachtung nicht verwundert, ist die Science Fiction doch jene Literaturgattung, die - im Gegensatz zu so gut wie allen anderen Literaturgattungen - immer schon angetreten ist, das Undenkbare zu denken, nicht aber das Unmögliche oder Absurde. Und deren Autoren oft zu Erkenntnissen gelangen, die Wissenschaftlern versagt geblieben sind.

Aus der Welt des Unerklärlichen...

Es gibt ein unheimliches Phänomen, das als "die rastlosen Särge von Barbados" aktenkundig und den Lesern meiner Bücher "Neue Unerklärliche Phänomene" und "Rätselhafte Wirklichkeiten" wohlbekannt ist. Obwohl sich besagtes Phänomen auch anderen Ortes ereignete und sogar in den Mythenschatz mancher Länder - beispielsweise in den von Westindien - eingegangen ist, wurde es nirgendwo so gründlich dokumentiert wie auf Barbados, der östlichsten Insel der Kleinen Antillen.

Das Mysterium begann im neunzehnten Jahrhundert in der Gruft der Familie Chase auf dem Friedhof von Christ Church über der Bay von Oistins an der Südküste der Insel. In den Jahren 1807 und 1808 fanden die ersten beiden Särge in der Familiengruft, die den Vergleich mit einem Atombunker unserer Tage nicht zu scheuen braucht, hinter einer tonnenschweren Marmorplatte einen Platz - nicht aber ihre Ruhe. Als man vier Jahre später die Gruft öffnete, um einen weiteren Sarg hinzuzufügen, bot sich ein Bild der Verwüstung. Die beiden schweren, mit Blei beschichteten Särge schienen wie von einer riesigen Hand durcheinander geworfen. Aus Ratlosigkeit plazierte man sie einfach wieder richtig, stellte den neuen Sarg dazu und verschloß das Gewölbe in der Hoffnung, den Mantel des Schweigens über das unheimliche Geschehen gebreitet zu haben. Vergeblich.

Über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt zeigte sich bei jeder neuerlichen Graböffnung, daß die unsichtbare Kraft abermals gewütet hatte. Und das so stark, daß die massiven Särge teilweise aufgebrochen waren oder Stücke aus der Mauer herausgeschlagen hatten, gegen die sie geschleudert worden waren. Alle Versuche, der Sache auf den Grund zu gehen, fruchteten nichts. Die Behörden postierten Wachen, ließen die Verschlußplatte versiegeln und im Inneren der Grabkammer Mehl oder Asche streuen, um Spuren zu sichern. Es gab jedoch niemals Spuren - nur herumgewirbelte Särge. Das Phänomen konnte durch Umbetten der Särge in eine andere Gruft beendet, nicht aber geklärt werden. 1943, über hundertzwanzig Jahre später, schlug die unsichtbare Kraft auf Barbados nochmals zu, diesmal in der versiegelten Krypta von Sir Evan McGregor. Mehr zu diesem unheimlichen Geschehen auf dieser Homepage bei meinem Buch "Rätselhafte Wirklichkeiten."

In keinem dieser und anderer Fälle (beispielsweise in einer Gruft im englischen Stanton, Grafschaft Suffolk, oder im Städtchen Arensburg auf der baltischen Insel Oesel) war die Wissenschaft in der Lage, auch nur den Hauch einer Erklärung anzubieten. Bis ein Science Fiction-Autor in die Bresche sprang.

...zu den Denkern des Phantastischen

Ein Mann konnte das Rätsel zwar nicht lösen, aber auf ein Spezifikum der "Sargbewegungen" hinweisen, das allen Forschern über ein Jahrhundert lang entgangen war: der englische Science Fiction-Autor Eric Frank Russell (1905-1978). Er realisierte als erster, daß die Särge bei ihrem Tanz eine Rotations- oder Spiralbewegung beschrieben hatten, identisch mit der von Eisenfeilspänen unter dem Einfluß von magnetischen Feldlinien. Russell vermochte zwar auch nicht zu sagen, wieso Bleisärge einer magnetischen Kraft unterliegen konnten, aber eine bessere These gibt es dennoch bis heute nicht. Also immerhin: Respekt, Respekt.

Derselbe Russell bemerkte noch eine andere Auffälligkeit im Zusammenhang mit einem anderen unerklärlichen Phänomen, die niemandem zuvor aufgefallen war.

Bei besagtem Phänomen handelt es sich um "Spontane Selbstverbrennung" (Spontaneos Human Combustion, SHC), eine rätselhafte Erscheinung, die Menschen schlagartig zu Asche oder zu Schlacke werden läßt, ohne dabei Brennbares in unmittelbarer Umgebung, oft nicht einmal die Kleidung am Körper, zu entzünden. Noch unheimlicher wird die Sache durch den Umstand, daß SHC gelegentlich auch bei toten Körpern auftritt und zu radioaktiver Verstrahlung führt. Die gräßlichen SHC-Überreste des 92jährigen SHC-Opfers Dr. J. Irving Bentley aus Coudersport in North-Pennsylvania, USA, könnten einem Science Fiction-Horror-Roman entnommen sein. Sie sind jedoch unerklärliche Wirklichkeit, allen mühsamen Erklärungsversuchen der letzten Zeit zum Trotz (Bild dazu auf meiner Homepage bei meinem Buch "Neue UNERKLÄRLICHE PHÄNOMENE").

Wie schon bei den Wandersärgen, wäre es wohl zuviel verlangt, von Russell die Lösung des flammenden Phänomens zu verlangen, das dicke Ordner füllt, Gerichtsmediziner wie Brandsachverständige gleichermaßen verzweifeln und Physiker die Haare raufen läßt. Es erfordert offensichtlich eine besondere Mischung aus naturwissenschaftlichem Wissen, kühner Spekulationsgabe, Freiheit von Vorurteilen und der Fähigkeit, das Undenkbare zu denken, um zu bemerken, was Russell bemerkte. Kurzum: genau die Kombination, die gute Science Fiction auszeichnet - und gute Science Fiction-Autoren.

Russell fiel also auf, daß drei Männer dem Höllenfeuer am 7. April 1938 zur gleichen Uhrzeit zum Opfer gefallen waren. Männer, die sich zum Zeitpunkt ihres abnormalen Feuertodes an den Spitzen eines gleichschenkligen Dreiecks, mit Seitenlängen von exakt dreihundertvierzig Meilen befanden. Um dem Grotesken die Krone aufzusetzen, gab es bei jedem der Opfer einen signifikanten Bezug zum Buchstaben U. Details würden zu weit führen. Wer mehr über die unheimliche Selbstverbrennung SHC erfahren will, kann dies auf meiner Homepage bei meinem Buch "Neue UNERKLÄRLICHE PHÄNOMENE.".

Zu neuen Ufern

Dieser kleine Abstecher ins Gebiet des Unerklärlichen zeigt nicht nur, daß man statt unerklärlich korrekter unerforscht, oder noch besser noch nicht erforscht sagen sollte, sondern auch, daß eine bestimmte Denkweise - wie sie meiner Ansicht nach gute Science Fiction auszeichnet - bei der Erforschung des (noch) Geheimnisvollen gute Dienste leisten kann. Wohl nicht grundlos gab es eine Seelenverwandtschaft zwischen dem wissenschaftlich ausgebildeten Eric Frank Russell und Charles Hoy Fort (1874-1932), dem berühmten Chronisten des Unerklärlichen, die in der gemeinsamen Überzeugung gipfelte, die Erde sei ein riesiges Experimentierfeld von wem auch immer. Eine Ansicht, die Fort mit dem Satz zynisch auf den Punkt brachte: "Wir sind Eigentum."

Sozusagen "echte" Science Fiction wirft die Fesseln ab, die ihr durch die Forderung angelegt werden, schlicht und einfach Prognosen abzugeben. Weil sie viel mehr kann. Die Gefahr der Fehlbarkeit mindert nicht den Wert der Spekulation. Jener faustische Drang, zu erfahren, was die Welt im Innersten zusammenhält, warum die Uhr tickt, was hinter dem nächsten Hügel liegt, zu forschen, zu suchen und zu finden, ist zweifellos ein positiver Grundzug der ansonsten mehr als defekten menschlichen Natur. Grenzüberschreitendes Denken kann selbst dann noch grandios und bewundernswert sein, wenn es bereits von neuen Erkenntnissen widerlegt wurde. Ein Pionier, der den Schritt auf nie betretenes Territorium wagt, die Fackel der Erkenntnis fest in der Hand, läßt das Licht menschlichen Wissensdranges auch dann noch leuchten, wenn er sich vergaloppiert. Pionier bleibt er trotzdem, die Fackel immer noch fest in der Hand. Mehr über die faszinierenden Facetten der Science Fiction - von erstaunlichen Prognosen über Originelles bis zu SF-Autoren aus den höchsten Gefilden der Dichtkunst.

Glanz und Elend der Voraussagen

Jeder kennt die legendäre Prognose aus dem 19. Jahrhundert, der Droschkenverkehr in London müßte in unserem Jahrhundert zum Erliegen kommen, weil der Pferdemist die Straßen meterhoch bedecken würde. Dieses klassische Nicht-Einbeziehen eines gänzlich neuen Faktors - des Autos - beweist, daß Entwicklungen jeder Art in Sprüngen vor sich gehen und daß jeder irren kann.

Die "seriöse" Wissenschaft liefert Beispiele genug. Man denke nur an den berühmten deutschen Pathologen Dr. Rudolf Virchow (1821-1902), der ein Brot mit Milzbrandbakterienaufstrich aß, weil er nicht an die Existenz der von Dr. Robert Koch (1843-1910) entdeckten Bakterien glauben wollte.

Hat George Orwell (richtiger Name Eric Blair) versagt, weil das ominöse Jahr 1984 zwar schon lang vorbei ist, die Zustände auf der Erde denen im gleichnamigen Roman aber keineswegs ähneln? (Sie sind weit schlimmer, wie Illusionslose meinen.) Orwell/Blair hat nicht versagt. Er wollte gar nicht vorausschauen, sondern warnen. Anscheinend mit geringem Erfolg (siehe "SCHATTEN DER MACHT" auf dieser Homepage). Doch selbst wenn man eine Beschränkung auf den Aspekt der rein logischen Extrapolation akzeptiert, kann die Science Fiction mit Außerordentlichem aufwarten.

Im Jahr 1944 stellten FBI-Männer das Büro von John W. Campbell jr., dem Chefredakteur des berühmten SF-Magazins Astounding, auf den Kopf, da in der letzten Nummer eine "hochverräterische" Story erschienen war. Sie hieß "Deadline" und stammte aus der Feder des SF-Autors Cleve Cartmill. In ihr war nicht mehr und nicht weniger beschrieben als die Atombombe, an der die US-Regierung damals in dem heute bekannten "Manhattan-Projekt" unter höchster Geheimhaltung bastelte. Dessen ungeachtet hatte man in Astounding detailliert über besagte Superbombe lesen können. Geheimnisverrat - was sonst? Campbell und Cartmill konnten jedoch unwiderlegbar beweisen, daß die Story nur eine treffsichere Extrapolation bekannter wissenschaftlicher Erkenntnisse war.

Sogar das am schwersten zu Prognostizierende konnte von SF-Autoren exakt prognostiziert werden: menschliches Verhalten in einem Umfeld, das zur Zeit der Beschreibung noch gar nicht existiert.

Isaac Asimov
Isaac Asimov (1920-1992)

Der 1992 verstorbene SF-Gigant Isaac Asimov beschrieb 1952 in einer Story ("The Martian Way") die späteren Weltraumspaziergänge. Nichts Besonderes, meint man, das war vorauszusehen. Nicht vorauszusehen war deren emotionale Auswirkung. Asimov sah sie voraus. Er schilderte 1952 die mit den Weltraumausflügen verbundene Euphorie, die ab 1965 dazu führte, daß US-Astronauten oftmals mit größtem Nachdruck in die Kapsel zurückbeordert werden mußten. Das nenne ich treffsicher, noch dazu für jemanden wie Asimov, der an Höhenangst gelitten hat und darum nie geflogen ist. Ohne falsche Bescheidenheit wies Asimov auch in seinem Buch "Opus Hundert" (er pflegte jedes erreichte Hundert seiner Werke mit einem Opus Hundert, Zweihundert, etc. zu "begehen", das einen Querschnitt seines vergangenen Schaffens bietet) auf seine beachtliche Leistung hin, diesen psychologischen Aspekt vorauszusehen. "Meine Freunde sagen, ich weiß nicht, was mir entgeht, weil ich nicht fliege", schreibt er sinngemäß. "Sie wissen nicht, was ihnen entgeht, denn ich bin im Weltraum geschwebt..." Vorauszusehen, wie es im Menschen "da drinnen" aussieht, wenn der "da draußen" mit sich und dem Weltall allein ist, prognostischer geht es wohl kaum.

Hard Science

Selbst eingeengt auf den Bereich der konventionellen Vorausschau tut sich auch einiges, nicht nur in Jules Vernes Werken, die diesbezüglich gerne herangezogen werden. Immerhin prognostizierte Verne neben dem, das man schon kennt, in seiner Geschichte "Im 29. Jahrhundert" sogar fast alle Formen der Energiegewinnung: Wind, Wasser, Sonne und geothermische Energie.

Interessanterweise trafen und treffen SF-Autoren weit häufiger mit ihren Prognosen ins Schwarze als hochgejubelte Zukunftsforscher und Trend-Extrapolierer. So wurden beispielsweise als Hommage für den SF-Autor Robert A. Heinlein die Servo-Hände, die man zum Fern-Umgang mit radioaktivem Material, Viren, usw. einsetzt, "Waldos" genannt, da er genau diese in seiner Story "Waldo" ersonnen hatte. Der 1996 verstorbene berühmte Astrophysiker Carl Sagan gab an, er sei von der Science Fiction auf den Weg zur Wissenschaft geführt worden.

Der Ingenieur Hugo Gernsback (1884-1967), nach dem der SF-Literaturpreis "Hugo" benannt ist und der als der "Vater der Science Fiction" gilt, produzierte keine literarischen Meisterwerke. Das hatte er gar nicht vor, war er doch der Ansicht "SF habe zu 75 Prozent aus der Beschreibung technischer Vorgänge und zu 25 Prozent aus eingestreuten Dialogen" zu bestehen. Daran hielt er sich auch selbst, wobei ihm in seinen Stories (speziell im Roman "Ralph 124C41 +"), eine schier unglaubliche Anzahl präziser technischer Voraussagen gelang, darunter Radargeräte, Großbildschirme, Kunststoffe, rostfreie Stahllegierungen, Hydrokulturen, Musikboxen, Tonbandgeräte, Mikrofilme, Glasfiber, Fernsehtelefone, Jumbo-Jets, Elektroschocks, Gehirnwellenmessungen, Stimmerkennung und vieles andere.

Auch auf einer über das rein Technische hinausgehenden Ebene gibt es erstaunliche Vorausschauen. So sah etwa Edward Bellamy (1850-1898) nicht nur Telefon, Tonbänder oder Schreibmaschinen voraus, sondern auch Papier-Wegwerfkleidung, einschließlich deren Recycling(!), und verstieg sich sogar zu der geradezu haarsträubenden Voraussage, Frauen würden dereinst Hosen tragen. Manchmal tauchen Science Fiction-Elemente in anderen Literaturgattungen auf, was zu originellen Anekdoten führen kann.

Eine vorweggenommene Erfindung

Als eine US-Firma eine neuartige Methode zur Hebung gesunkener Schiffe mittels Kunststoffkügelchen patentieren lassen wollte, soll sich Kurioses zugetragen haben, wie kolportiert wird. "Leider zu spät", so informierte das Patentamt den verblüfften Einreicher. Ein gewisser Donald Duck hat diese Methode bereits angemeldet. Zwar nicht der berühmteste aller Enteriche in Fleisch und Federn, aber die Grundidee war bereits früher in einer Donald Duck-Story verbraten und als Gag zum Patent gegeben worden.

Weiterdenken erfordert Mut

Mut zum Skurrilen ist nicht nur ein Zug der Science Fiction, sondern hat schon weit mehr bewirkt, als sauertöpfisches Unmöglicherklären, wie beispielsweise die "endgültigen" Worte des berühmten amerikanischen Astronomen Simon Newcomb: "Keine denkbare Kombination bekannter Substanzen mit bekannten Arten von Maschinen oder bekannten Kräften kann in einer Maschine vereinigt werden, welche Menschen in die Lage versetzt, lange Strecken zu fliegen." Dankenswerterweise hielten sich die Brüder Wright nicht an Newcombs Worte. Zum Ablegen solcher Scheuklappen wollte der berühmte Autor Arthur C. Clarke ("2001") viele Jahr nach Newcomb wohl mit dem Satz animieren: "Fortgeschrittene Wissenschaft ist von Magie nicht zu unterscheiden."

Alles andere als trivial

Es verwundert im Grunde kaum, wenn man entdeckt, daß auch berühmte Autoren, Philosophen und Denker der Herausforderung, eine im Wortsinn grenzüberschreitende utopische Geschichte zu schreiben - die man in unseren Tagen als Science Fiction klassifizieren müßte - nicht widerstehen konnten. Unter ihnen Plato, Lukian, Campanella, Cyrano de Bergerac, Franz Werfel, Edgar Allan Poe, Jack London, Johann Wolfgang von Goethe, Graham Greene, Guy de Maupassant, Joseph Conrad, Jean Paul, Mark Twain, Robert Graves, Herman Wouk, Sir Arthur Conan Doyle, Lord Edward Bulwer-Lytton, Paddy Chayefsky, Fjodor Dostojewski, Daphne du Maurier, Simone de Beauvoir, William Golding, Vladimir Nabokov, Hermann Melville, Franz Kafka, Hermann Hesse, Arno Schmidt , Rudyard Kipling...

Natürlich kann man den Terminus Science Fiction auf manches nur rückwirkend anwenden, da es ihn offiziell erst im zwanzigsten Jahrhundert gibt. Trotzdem erscheint diese Vorgangsweise als legitime "Notwehr" gegen ungerechte Vorurteile und Desavouierungen durch Reduktion auf die US-Wurzeln der SF.

Nimmt man die PULP-Heftchen der amerikanischen dreißiger und vierziger Jahre in Augenschein, auf deren Covers mehrarmige Monstren Weltraumgirls die Raumanzüge geifernd von den wohlgerundeten Körpern zu reißen pflegten, so muß jede Verbindung zu Werfels "Stern der Ungeborenen", zu Kafkas "In der Strafkolonie" oder zu Hermann Hesses "Glasperlenspiel" allerdings wie reine Blasphemie erscheinen.

SF war und ist niemals ausschließlich in die Zukunft projizierte Trivialliteratur Marke "Space Opera". SF-Autoren haben durchaus auch Anleihen bei der "Hochliteratur" genommen oder sie verarbeitet, was sie sich aber keineswegs schämen zuzugeben.

A. E. van Vogts "Linn-Serie" ist bewußt an Robert Ranke Graves "Ich Claudius, Kaiser und Gott" angelehnt, und der Vogt-Klassiker "The Voyage of the Space Beagle" basiert sowohl auf Oswald Spenglers "Der Untergang des Abendlandes" (der bereits in vollem Gange zu sein scheint), als auch auf der zyklischen Theorie des berühmten Historikers Arnold Toynbee. Die von Isaac Asimov kreierte Wissenschaft der "Psychohistorie" aus dem Foundation-Zyklus scheint ebenfalls Spengler-Charakter aufzuweisen (kulturmorphe Voraussagen aufgrund vergangener Gesetzmäßigkeiten). Wenig bekannt ist ferner, daß der SF-Filmklassiker "Alarm im Weltall/The Forbidden Planet" bewußt Shakespeares "Sturm/Tempest" nachempfunden wurde.

Alarm im Weltall
Wer hätte gedacht, daß William Shakespeare bei dieser Story Pate gestanden hat?

Auch für Simulationswelt-Stories a lá "Welt am Draht/Simulacron 3" oder Roland Emmerichs "13th Floor" gibt es literarische Vorlagen:"Der Traum ein Leben" von Friedrich Grillparzer sei nur als Beispiel genannt, vor allem haben sich Philosophen mit der Frage beschäftigt "Wie kann ich sicher sein, daß alles um mich herum wirklich ist und ich nicht der Traum eines anderen bin?"

Der Wiener Physiker Dozent Dr. Peter Schattschneider, der die SF-Themen und Fragestellungen in seinen Lehrbetrieb aufgenommen und einige Bücher dazu verfaßt hat, schlägt zur Definition von Science Fiction einen nachgerade quantenphysikalischem Ansatz (nicht unähnlich Niels Bohrs berühmter Kopenhagener Deutung der Quantenphysik) vor. Für ihn sind naturwissenschaftliche Theorien und Literatur zwei Seiten der Wirklichkeitsbeschreibung (vergleichbar mit dem Wellen/Teilchen-Dualismus), die in der Science Fiction konvergieren. In diese Betrachtungsweise passen Hans Dominiks technische Zukunftsromane ebenso hinein, wie Campanellas "Sonnenstaat", Hermann Hesses "Glasperlenspiel", Philip K. Dicks "Orakel vom Berge", Larry Nivens "Ringwelt" oder Coopers "Freiwild Mann", um einige Eckpunkte zu nennen.

Nach diesem gewichtigen Teil darf der Humor nicht zu kurz kommen. Damit meine ich nicht den eher raren bewußten Humor in der SF wie Nelson Bonds "Lancelot Biggs", Fredric Browns "Die grünen Teufel von Mars" (Originaltitel: "Martians, Go Home") oder Eric Frank Russells "Men, Martians and Machines"-Stories, sondern unfreiwilligen. Beispielsweise las ich in einem Heftchen der fünfziger Jahre, dessen Titel ich vergessen habe, die originelle Story von einer Verschwörung wahnsinniger Wissenschaftler, die die Erde rund um den Äquator vermint hatten. Ihr Meisterplan war es, unseren Planeten in zwei Teile zu sprengen und wörtlich: "in der entstehenden Verwirrung die Macht an sich zu reißen". Eine kurze Machtausübung allerdings.

Solche Peinlichkeiten gab es zuhauf. So wurde beispielsweise der Leihbuchautor J.E. Wells von Kritikern durch den Satz charakterisiert: "Reich mir ein Kistchen Photonen". Ein besonderer Leckerbissen aber ist ein Leihbuch, das bereits Kultcharakter hat: "Planetoid Herkules" von Frank Tessler. Auf dem Buchrücken liest man "Planetuit Herkules" und als Innentitel prangt "Panetuid Herkules". In diesem beachtlichen Werk voll unglaublicher grammatikalischer, orthographischer, syntaktischer und anderer Fehler wird ein Erdbebenmesser zum Seismonographen, stehen Fixiersterne am Himmel, starrt der Held nur so vor sich hin, weil alles gut gegangen hat, während alle mit Schaudern daran dachten, was passiert sein könnte, wenn dieser Fall eingetreten worden wäre, werden terrorterriale Ansprüche erhoben, und zur Krönung betrachten die Kommandanten die Sterne durch Horoskope. Erlesene Blüten fürwahr, die ich in meinem 1984 bei "Goldmann" zum Orwell-Jahr erschienenen und derzeit in erweiterter und aktualisierter Form als e-book bei www.readersplanet.de/Sachbücher erhältlichen "SF-QUIZBUCH" entsprechend würdige.

Zusammenfassend läßt sich resümieren, daß die Science Fiction fürwahr eine Literaturgattung mit vielen Gesichtern ist. Wesenszüge der SF spiegeln sich ebenso im Interesse für Unerklärliches, für UFOs, für Astronautengötter und für Präastronautik wider, wie in der Begeisterung für reine Naturwissenschaft oder für Psychologie und Soziologie. Verbindend ist das Anliegen der Science Fiction, das unerschöpfliche Reservoire menschlicher Vorstellungskraft zum Brückenschlag vom äußerem zum innerem Universum zu nutzen. Die Amerikaner haben, wie so oft, auch hier einen Begriff geschaffen, der diese Art des Denkens, Sinnierens und über den Tellerrand Hinausblickens kurz und prägnant beschreibt und gleichzeitig vom eigenen Bodensatz abgrenzt. Er lautet "Sense of Wonder" - das Streben des Menschen, über die Begrenzung seines Lebens, seines Kontinents, seines Planeten, aber ebenso seines sozialen Umfeldes, seiner Lebenssituation und seines geistigen Horizontes hinaus zu gelangen.

Der bekannte Schriftsteller, Herausgeber und Kritiker Damon Night schreibt: "Kennzeichnend für die Science Ficition ist die Vorstellung, daß der Mensch fähig ist, sich und seine Umwelt zu verändern. Es ist die Botschaft, die uns die geistigen Revolutionen des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts übermittelt haben, und die in keinem anderen belletristischen Genre überlebt hat." Oder, wie Robert Conquest schreibt: "Die Wissenschaft, die Kunst, bereiten gleiche Freuden. Des Menschen Herz braucht beide, um zu leben." Science Fiction vermag, wenn sie gut ist, beides zu geben. Getrennt oder gemeinsam.

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