DAS FATALE DREIECK
 

Drei Schlüsselexperimente zu menschlichen Natur: Milgram - Zimbardo - Die Welle

von Viktor Farkas

Gnadenlos gehorsam: Das Milgram-Experiment

„Der Mensch als folternder oder tötender Roboter; der unbedingte Gehorsam gegenüber der Obrigkeit, die US-Professor Milgram in seinem Experiment bewiesen hat, war für mich der Anlaß, diesen Film zu machen“, erklärte der französische Regisseur Henri Verneuil über die Entstehung seines faszinierenden Polit-Thrillers mit wahren Hintergründen „I...wie Ikarus“ (1979, übrigens die meiner Meinung nach beste Auseinandersetzung mit den wahren Hintergründen des Kennedy-Attentates). Eine schwere Anklage gegen die „Krone der Schöpfung“ - aber ist sie auch berechtigt, bringt sie die menschliche Natur tatsächlich auf den Punkt?

Mit Fragen hatte das berühmt-berüchtigte „Milgram-Experiment“ vor über vier Jahrzehnten seinen Anfang genommen, das vom amerikanischen Psychologen Stanley Milgram von der Yale Universität als indirekte Folge des Prozesses gegen Adolf Eichmann (gefangen genommen 1960, Prozeßbeginn in Israel 1961, Hinrichtung 1962) konzipiert worden war. 1962 stellte Milgram Psychiatern, Studenten und Normalbürgern aus dem amerikanischen Mittelstand zwei präzise Fragen. Diesen Fragen schickte er in etwa folgende Vorgeschichte voraus:

„Stellen Sie sich vor, Sie werden eingeladen an einem Experiment der Yale Universität teilzunehmen. Bezahlt wird Ihnen außer den Fahrtspesen nichts. Man führt Sie in einen Raum mit zwei Männern. Einer davon trägt einen weißen Mantel. Er stellt sich als der Versuchsleiter vor. Der andere Mann - ein sympathischer Typ - ist der zweite Freiwillige. Der Versuchsleiter erklärt, daß es bei dem Experiment um die Verbesserung der Lern- und Merkfähigkeit geht, und daß einer von Ihnen die Funktion des „Lehrers“ und dem anderen die des „Schüler“ zu übernehmen hat. Das Los entscheidet, daß Sie der „Lehrer“ sind. Nun wird Ihnen der Ablauf des Experiments dargelegt. Sie, der „Lehrer“, lesen dem „Schüler“ eine Reihe von begrifflich zusammengehörigen Wortpaaren vor (beispielsweise „Maus/Grau“), von denen er sich so viele als möglich merken soll weil Sie ihn nach dem jeweils anderen Wort fragen werden. Hat er eines vergessen oder sagt er ein falsches, helfen Sie seinem Erinnerungsvermögen mit immer stärkeren Elektroschocks auf die Beine. Eine klare Sache.

Nun geht es in den Versuchsraum. Dort steht ein Schaltpult, von dem aus Kabel zu einem Stuhl mit Bändern, Kontakten und einer Kopfhalterung führen, der fatal an einen elektrischen Stuhl erinnert. Auf diesen setzt sich der „Schüler“. Eine Elektrodensalbe wird zur besseren Stromleitfähigkeit auf seinen Handgelenken und auf seinen Schläfen aufgetragen, seine Arme werden festgeschnallt und sein Kopf mit einem Stirnband fixiert, auf dem sich Kontakte befinden.

Diese makabre Prozedur läßt ein ungutes Gefühl in Ihnen aufsteigen, doch der Versuchsleiter beruhigt. Er weist darauf hin, daß niemand zur Teilnahme gezwungen wurde. Das leuchtet Ihnen ein. Sie beruhigen sich und nehmen Ihren vorgesehenen Platz als „Lehrer“ hinter dem Pult ein. Nun erklärt man Ihnen die darauf befindlichen Schalter. Jeder von ihnen löst einen Elektroschock aus, und das mit steigender Intensität. Die Voltstärke (von 15 bis 450 Volt) ist beim jeweiligen Schalter angegeben sowie der Vermerk „leichter Schock, mittlerer Schock, starker Schock, sehr starker Schock, intensiver Schock, extrem intensiver Schock“. Bei den höheren Voltstärken gibt es ergänzende, unmißverständliche Warnungen wie „Gefahr, extreme Gefahr“ und dann rote Linien und Totenköpfe. Zur Einstimmung und als Beweis dafür, daß alles bestens funktioniert, erhalten Sie selbst einen leichten „Probeschock“ von 45 Volt. Das tut ziemlich weh. Der Versuchsleiter gibt Ihnen die Liste mit den Begriffen und es kann losgehen.

Sie verlesen die Wortpaare. Am Anfang sagt der Kandidat den richtigen Ergänzungsbegriff, doch bald beginnt er Fehler zu machen. Ein paar leichte Elektroschocks verbessern seine Leistung, doch ab einem gewissen Zeitpunkt versagt der „Schüler“ nur noch. Sie verpassen ihm immer mehr Volt. Vergebens. Er stöhnt, windet sich und schreit, Sie sollen aufhören. Der Versuchsleiter ist unbeeindruckt. Er weist Sie an, das Flehen des Gepeinigten zu ignorieren und weiterzumachen.“

Nach dieser Einleitung fragte Professor Milgram: „Wie würden Sie sich in dieser unangenehmen Situation als ‚Lehrer' verhalten?“ und „Wie glauben Sie, würden sich andere verhalten?“

Kaum einer der Befragten erklärte, er würde den „Schüler“ unerbittlich weiter quälen oder ihm gar ernsthaft Schaden zufügen. Bei anderen war man sich da nicht so sicher. „Es wird sicher Leute geben, die viel brutaler sind“, meinten die meisten, aber wirklich verletzen würde keiner den „Schüler“. Diese Aussage war auch von den angesprochenen Psychiatern zu hören. Diese Experten hatten so gut wie keinen Zweifel, daß von einem repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt maximal drei Prozent der Betreffenden bis 300 Volt gehen würden. Einen tödlichen Schock von 450 Volt würde vielleicht einer von Tausend „Lehrern“ dem „Schüler“ verabreichen. Knapp verfehlt, kann man nur sagen.

Als der Psychologe sein berühmtes „Milgram-Experiment“ in der Praxis durchführte, zertrümmerte er ein für alle Mal nicht nur die Selbstsicherheit vieler seiner Kollegen, sondern weit mehr das selbstbetrügerische Menschenbild, das bei Durchschnittsmenschen und Experten in seltener Eintracht gleichermaßen verbreitet war.

Das Ergebnis war absolut niederschmetternd. Ein Schock. Die Praxis zeigte nämlich, daß 650-700 mal mehr Personen bereit waren dem „Schüler“ mit einem Schock von 450 Volt das Lebenslicht auszublasen, als die Psychiater vorhergesagt hatten. 70.000 Prozent daneben - eine ganz schöne Fehlerquote. Da niemand auf den Gedanken kommen wird, 65-70 Prozent der Bevölkerung der Vereinigten Staaten von Amerika wären Sadisten oder Psychopathen ist, blieb nur eine Erklärung: Zwei Drittel ganz gewöhnlicher Menschen in einer Demokratie sind offenbar bereit, einem harmlosen, sympathischen und höflichen Mitbürger, den sie weder kennen noch verabscheuen, mit Strom zu Tode zu foltern wenn ein Mann im weißen Mantel sagt: „Ich übernehme die Verantwortung. Machen Sie weiter!“ Details aus einigen der mehrmals durchgeführten Versuche fügen dem Beklemmenden auch noch eine skurril-makabre Note hinzu, die nicht weniger repräsentativ für die defekte Natur des Homo sapiens ist als das Ergebnis des Experiments selbst.

Ein 39jähriger Sozialarbeiter wurde von unfreiwilligen hysterischen Lachkrämpfen geschüttelt, während er sein Opfer sukzessive röstete.

Eine Hausfrau hatte bei der Vorbesprechung ihren humanitären Dauereinsatz für Unterprivilegierte geschwätzig dargelegt und auf die Frage, wieviel Volt sie bereit wäre über sich selbst ergehen zu lassen geantwortet „Fünfzehn Volt“. Während des Experiments zitterte sie zwar ständig, ging aber dennoch bis 450 Volt. Nachher beschrieb sie ihre Gefühle während des Experiments voll Selbstmitleid: „Jedesmal, wenn ich den Hebel drückte, starb ich. Haben Sie gesehen, wie ich zitterte? Es brachte mich einfach um, wenn ich daran dachte, daß ich dem armen Mann Elektroschocks geben mußte.“ Auf die naheliegende Idee, daß niemand sie daran hinderte, „dem armen Mann“ keine Elektroschocks zu verpassen, die in der Endphase dreißigmal stärker waren als der Schock, den sie selbst zu gerade noch zu ertragen bereit war, kam sie nicht.

Ein 43jähriger Wasserinspektor war hingegen ungerührt. Als der „Schüler“ gegen Ende der Schockreihe kein Lebenszeichen von sich gab, dachte der „Lehrer“ bei sich - wie er später zugab - „Mein Gott, der ist tot. Na ja, kann man nichts machen, geben wir ihm dem Rest.“ Das hieß weiter bis 450 Volt.

Einer der „Lehrer“ verließ sogar sein Pult und drückte die Hand des „Schülers“ mit Gewalt auf die Schockplatte. Ein anderer steigerte die Stromstärke ungerührt bei einem „Schüler“, von dem er wußte, daß er einen Herzfehler hatte. Es gab keinen prozentuellen Unterschied bei männlichen und weiblichen „Lehrern“.

Die dramatischen Begleitumstände führen sogar zu einem Spielfilm über das Experiment mit dem Titel „Die zehnte Stufe“. Darin spielte William Shatner (Captain Kirk von der „Enterprise“) den gewissensgeplagten Professor, der das Experiment entwickelt hatte und leitete. Wiederholungen des Milgram-Experiments in anderen Demokratien erbrachten in einigen Fällen sogar die unglaubliche Quote von 85 Prozent.

Die Schockwirkung des Milgram-Experimentes war ungeheuer. Der Psychologe wurde 1964 mit dem Socio-Psychological Prize der American Association for the Advancement of Science ausgezeichnet. Er selbst betrachtete die Ergebnisse seiner Arbeit pessimistisch und meinte: „Die Fähigkeit des Menschen, sein Menschentum aufzugeben...ist der fatale Charakterfehler, mit dem die Natur uns ausgestattet hat und der unserer Spezies auf lange Sicht nur eine geringe Überlebenschance gibt.“

Fast Jeder legt jeden um, und zwar ohne eigene Not, das ist das traurige Resümee. Stellt man heute die Frage, ob jemand bereit wäre einen unschuldigen Mitmenschen sadistisch bis zum Tod zu quälen, wird die Antwort von allen, die nie etwas vom Milgram-Experiment gehört haben, wohl immer ein empörtes „Nein“ sein, verbunden mit der Überzeugung, daß nur Psychopathen oder irregeleitete Fanatiker zu solchen Grausamkeiten bereit wären.

Wahrscheinlich fragt sich jetzt der eine andere, wie verkommen ein Experimentleiter sein muß, der einen solchen Versuch durchzieht, und, ob das überhaupt erlaubt ist. Keine Sorge, es ist nicht erlaubt, Freiwillige einander umbringen zu lassen. Das war auch gar nicht der Fall. Es sollte nur so aussehen . Niemand wurde beim Milgram-Experiment mit Strom gefoltert oder gar getötet. Alles nur perfektes Theater. Es gab keine Stromstöße. Der „Lehrer“ war immer im voraus bestimmt. Das Auslosen war ein Trick. Den gefolterten „Schüler“ mimte stets mit großer Darstellungskunst ein Mitarbeiter des Institutes.

Was durch das Experiment ursprünglich bewiesen werden sollte war die Mündigkeit des demokratisch erzogenen Zivilisationsmenschen. Ungeheuerlichkeiten wie z.B. und ganz besonders im Dritten Reich, so glaubte man vorher, seien nur unter extremen Rahmenbedingungen möglich, bei denen gnadenlose Indoktrination eine wesentliche Rolle spielt. Was tatsächlich bewiesen wurde, wissen wir nun.

Im Jahr 1999 wiederholte die österreichische Monatszeitschrift WIENER Milgrams Experiment, das heute nur noch Insidern bekannt ist. Über vierzig Jahre später gibt die menschliche Natur immer noch wenig Anlaß zur Freude. Der Chefredakteur spricht im Vorwort zum Ausgabe des WIENER, in der darüber berichtet wurde, Erschreckendes offen aus: „Gerne rätseln wir darüber, was Hitlers Erfüllungsgehilfen in der Vernichtungsmaschinerie angetrieben haben mag. Natürlich hat das alles nichts mit uns zu tun, schließlich leben wir in einer anderen, gottlob besseren Zeit. Wenn uns Nachrichten von Massakern in Ex-Jugoslawien erreichen, sind wir immer ziemlich fassungslos. Hat aber auch nix mit uns zu tun, leben wir doch an einem glücklicheren Ort, wo Menschen sich zivilisierter aufführen, als drunten am finsteren Balkan. Abgehakt, verdrängt, vergessen. So einfach ist das.

Und dann läuft dieses Video, das WIENER-Reporter Stefan Wictora von seiner Recherche mitgebracht hat. Wir sehen Menschen, die man aus der U-Bahn zu kennen glaubt. Sie traktieren einen Wildfremden mit Elektroschocks, nur weil es ihnen von Wictora, mit weißem Mantel zur wissenschaftlichen Autorität gestylt, befohlen wird. Das vorgebliche Opfer (natürlich bloß ein Schauspieler) schreit herzzerreißend: „Hört's auf, um Gottes Willen, ihr bringt's mich ja um!“. Der falsche Wissenschaftler sagt: „Machen Sie weiter!“ Fast alle gehorchen. Acht von 20 Testpersonen sogar bis zum finalen Stromstoß von 450 Volt.

Schockiert? Gut so. Wir sind es auch. Immerhin ist die Idee zu dem Experiment schon 37 Jahre alt. 1962 hatte der US-Wissenschaftler Stanley Milgram mit der gleichen Versuchsanordnung erstmals die Autoritätshörigkeit der menschlichen Seele nachgewiesen. Erschütternde Erkenntnis des WIENER-Tests: Seit damals hat sich nichts geändert...“ Ende des Zitates aus dem WIENER Nr. 3 vom März 1999.

Im Film „I...wie Ikarus“ wird eine selten registrierte Konsequenz des Milgram-Experiments angesprochen: Es brutalisiert alle, die daran auch nur anstreifen. Der von Yves Montand gespielte Hauptdarsteller beobachtet das Experiment und protestiert erst sehr spät dagegen, obgleich auch er glaubt, die Stromstöße seien real. Gar nicht erwähnt wird ein Umstand, der mir aufgefallen ist, nämlich, der, daß die echte Grausamkeit vom Versuchsleiter ausgeübt wird, bzw. werden muß, damit das Experiment überhaupt Ergebnisse erbringen kann. Es gibt nämlich Fälle, in denen der „Mann im weißen Mantel“ sein Opfer (den „Lehrer“) durch erbarmungslose Autoritätsausübung dazu brachte, mehr und mehr Volt zu geben, obgleich der „Lehrer“ litt wie ein Tier. Manche von ihnen drehten durch, weil sie weder weitermachen noch aufhören konnten. Es kam zu Schreikrämpfen, psychischen Störungen und Kollapsen.

Kam ein zweiter „Man im weißen Mantel“ dazu und erhob Einspruch, hörten die „Lehrer“ so lange mit den Stromstößen auf, bis der erste „Mann im weißen Mantel“ die Oberhand behielt und befahl: „Machen Sie weiter!“. Der klassische „Kampf der Götter“, wie Psychologen es nennen.

Als man den „Lehrern“ hinterher die wahre Natur des Experiments erklärte, zeigten sich die meisten zwar betroffen, wiesen aber jede Eigenverantwortung mit Sätzen wie „Sie haben doch die Verantwortung übernommen“ oder „Ich hatte keinen Zweifel daran, daß Sie als Fachmann wissen müssen, was ich tun darf“ zurück. Eine besondere Pikanterie war die stets auftretende Entrüstung, wenn man die „Lehrer“, die sechs Dollar Spesen erhalten hatten, abschließend fragte, ob sie für 100.000 Dollar einen Menschen bewußt umbringen würden. Manche erinnerte all das fatal an Aussagen von Einsatzgruppenmitgliedern, die ohne Gewissensregung zahlreiche Zivilisten erschossen hatten, auf die Frage, ob sie vom vorher abzuliefernden Eigentum der Opfer etwas gestohlen hätten, jedoch voll ehrlicher Empörung antworteten: „Niemals, das wäre doch ein Verbrechen gewesen!“

Leider müssen wir noch weitere Abstriche von unserer geschönten und von Stanley Milgram bereits recht angeschlagenen Menschenvorstellung machen, wie das nächste Experiment schlagend beweist.

Mehr als ein Rollenspiel: Zimbardos Hölle

1971, neun Jahre nach Milgrams Experiment rückte ein anderer Psychologe namens Philip Zimbardo in Palo Alto, Kalifornien, dem „Guten und Edlen im Menschen“ mit einem weiteren ernüchternden Experiment zu Leibe, das der reale Hintergrund von Oliver Hirschbiegels Film von 2001 „Das Experiment“ ist. Dabei ging es darum, die damals bereits unbeschreiblichen Zustände in den amerikanischen Gefängnissen zu analysieren und menschenwürdiger zu gestalten. Daß sie heute noch unbeschreiblicher sind, um ein falsche aber zutreffende Steigerungsform zu verwenden, zeigt das Scheitern von Zimbardos Intentionen, aber das konnte er ja nicht wissen. Wie auch anderes nicht.

Zimbardo und seine Mitarbeiter Craig Haney, Curt Banks und David Jaffe gingen von der Voraussetzung aus, daß sich nicht-kriminelle US-Bürger auch dann gesittet verhalten würden, wenn man sie in einem „Scheingefängnis“ Häftling und Wärter spielen ließ. Die gängige Meinung war, daß ein gewisser Prozentsatz der Wärter in Gefängnissen diesen Job ausüben, um bewußte oder latente sadistische Neigungen auszuleben, während die Häftlinge wiederum in der Regel aggressive und asoziale Elemente sind. Eine brisante Mixtur, die offenbar durch die Struktur der Haftanstalten zur Explosion gebracht wird. „Normalbürger“, so war man überzeugt, besitzen dieses extreme psychische Make-up nicht, so daß man aus ihrem (zivilisierten) Verhalten in einer gespielten Gefängnissituation Verbesserungsmaßnahmen für die echten Gefängnisse ableiten könnte. Das waren die Ausgangs-Prämissen.

Freiwillige Teilnehmer wurden unter Collegestudenten gesucht und gefunden. Aus den zahlreichen Bewerbern, die sich auf die Zeitungsannonce gemeldet hatte, wurden 10 „Häftlinge“ und 11 „Wärter“ ausgesucht. Es waren diejenigen, denen man die größte innere Stabilität und Reife, verbunden mit der geringsten Neigung zu asozialem Verhalten zuschrieb. Nun konnte es losgehen.

Um das Experiment von Anfang von realitätsnah zu gestalten, versicherte man sich der Mitarbeit des Palo Alto Police Department. Daher konnte die spektakuläre „Massenverhaftung“ der Freiwilligen, die die Rolle der Kriminellen übernommen hatten, am frühen Sonntagmorgen, 14. August 1971 realistisch vor sich gehen. Mit heulenden Sirenen hielten Polizeiautos vor den Wohnungen der Betreffenden. Die „Verdächtigen“ wurden herausgezerrt und mußten sich mit erhobenen Händen gegen die Polizeiautos stellen. Jeder einzelne wurde des Diebstahls bezichtigt, bekam seine Rechte vorgelesen und danach Handschellen verpaßt. Dann gings in schneller Fahrt mit Trara auf die Wache.

Dort wurden Fingerabdrücke abgenommen, für jeden ein Personalakt angelegt, und ab in Einzelzellen des Untersuchungsgefängnisses. Nach einigen Stunden erfolgte die Überstellung ins „Bezirksgefängnis von Stanford“. Da es sich dabei um das Scheingefängnis im Kellergeschoß des Instituts für Psychologie der Stanford Universität handelte, wurden den „Kriminellen“ zuvor die Augen verbunden, was für sie die Sache noch realistischer machte.

Dort angekommen, mußten die Studenten sich nackt ausziehen, wurden einer peinlichen Leibesvisitation unterzogen sowie entlaust. Sie erhielten als Häftlingskluft einen Kittel mit vorne und hinten groß sichtbar aufgestickter Gefangenennummer, Sandalen, eine Mütze, Bettzeug, und andere Utensilien für das Leben hinter Gittern. Unterwäsche gab es keine, dafür eine Kette mit Schloß um die Knöchel. Mit Säcken auf dem Kopf mußten sie auf dem Korridor warten, bis sie in ihre Zellen kamen.

Ein Bild aus dem Original-Experiment von Zimbardo

Das Pseudogefängnis war um nichts weniger unangenehm strukturiert als eine normale amerikanische Haftanstalt: Kleine Zellen für je drei Häftlinge, vergitterte Fenster. Gefängnisdirektor war Philip Zimbardo.

Der „Gefängnisaufseher“ vergatterte die „Häftlinge“ über die strikt zu befolgenden Verhaltensregeln für Gefangene, und darüber, daß die Aufseher ohne Ausnahme immer mit „Herr Aufseher“ anzusprechen seien. Bei der kleinsten Verfehlung drohten strenge Strafen.

Die Freiwilligen, die die Rolle der „Wärter“ übernommen hatten, erhielten eine Uniform, eine Trillerpfeife, einen Gummiknüppel und die verspiegelten Sonnenbrillen, die man aus unzähligen Filmen kennt. Ihnen wurde gesagt, ihre Aufgabe bestehe darin „für ein vernünftiges Maß an Ordnung innerhalb des Gefängnisses zu sorgen, um den reibungslosen Ablauf sicherzustellen“. Weitere Verhaltensregeln gab nicht, lediglich das strikte Verbot, physische Gewalt anzuwenden.

Ebenfalls aus dem Original-Experiment von Zimbardo: Die Symbole unpersönlicher Autorität: undurchdringliche Sonnenbrillen und ein Knüppel.

Unter diesen zwar unliebsamen aber aushaltbaren Bedingungen sollten die Freiwilligen die vorgesehen zwei Wochen des Experimentes wie zivilisierte Menschen hinter sich bringen und wichtige Aufschlüsse vermitteln. Aufschlüsse gab es in der Tat, wenn auch - wie bei Milgram - nicht die erwarteten.

Der Versuch mußte nach sechs Tagen vorzeitig abgebrochen werden. Bereits zwei Tage nach Beginn herrschten im Scheingefängnis Gewalt und Rebellion. Die Häftlinge rissen sich die Gefangenennummern ab, und danach die Kleider vom Leibe. Sie brüllen, beschimpften die Wärter und verbarrikadierten sich in ihren Zellen. Die Wärter reagierten auch nicht so, wie ihnen eingeschärft worden war. Sie schlugen den Aufstand mit brutaler Gewalt nieder und taten auch sonst, was man aus „normalen Gefängnissen“ kennt. Sie ließen die Häftlinge mit bloßen Händen die Toilette reinigen, bespritzten sie mit Feuerlöschschaum oder befahlen ihnen Liegestütze zu pumpen, wobei manchmal ein Wärter auf dem Rücken des Häftlings stand. Sie machten aus den Rechten der Häftlingen Privilegien für Wohlverhalten und Unterwürfigkeit, spielten die Insassen gegen einander aus, schikanierten und quälten sie systematisch.

Einer der Häftlinge zeigte schon nach einem Tag so schwere Symptome einer emotionalen Störung (unkontrolliertes Weinen und Schreien), daß er entlassen werden mußte. Am dritten Tag verbreitete sich das Gerücht, die Häftlinge planten einen Massenausbruch. Darauf reagierte das Wachpersonal „vorbeugend“ mit repressiven Maßnahmen. Am vierten Tag legten zwei weitere Häftlinge Symptome einer schweren emotionalen Gestörtheit an den Tag und mußten entlassen werden. Ein dritter bekam einen psychosomatischen Ausschlag am ganzen Körper und mußte ebenfalls entlassen werden.

Mit der Zeit schienen die „Wärter“ aus der Ausübung ihrer (gespielten!) Macht und aus ihrem sadistischen Verhalten eine große Befriedigung zu ziehen. Sie demonstrierten diese Macht nicht nur durch Brutalität, sondern auch durch regelrechtes Imponiergehabe (klatschendes Schlagen des Gummiknüppels gegen die eigene Handfläche oder krachend gegen das Mobiliar). Die „Häftlinge“ hingegen resignierten und ließen sich gehen. Sie schlurften die Gänge entlang, den Blick fast ständig zum Boden gesenkt. Depression und Hilflosigkeit nahmen zu. Besonders erschreckend war, daß die Anwendung von Gewalt, Schikanen und Aggressionen seitens der Wärter von Tag zu Tag stetig zu nahm, obwohl der Widerstand der Häftlinge gleichzeitig ab nahm und schließlich völlig aufhörte.

Vor dem Experiment hatte einer der „Wärter“ festgestellt, er sei Pazifist und dermaßen unaggressiv, daß es ihm schlichtweg unvorstellbar sei, ein anderes Lebewesen zu mißhandeln. Bereits am dritten Tag schien er die Macht über andere allerdings weidlich zu genießen. Was ihm am besten gefiel, so sagte er später, war die fast totale Kontrolle über alles, was gesprochen oder getan wurde. Die Parallelen zu Milgrams Kandidaten, die vorher ihre Humanität und Menschenliebe betont hatten, beim Experiment jedoch den „Schüler“ schließlich mit 450 Volt „umbrachten“, scheinen manchen unübersehbar.

Am fünften Tag weigerte sich ein Häftling, seine Wurst zu essen. Dazu die Tagebucheintragung des Wärters: „Wir warfen ihn ins Loch und befahlen ihm, in jeder Hand Würste zu halten... Wir beschließen die Solidarität unter den Gefangenen auszuspielen, und sagen ihm, daß allen anderen die Besuche gestrichen würden, wenn er seine Mahlzeit nicht ißt... Ich ärgerte mich sehr über diesen Häftling, weil er den anderen Unannehmlichkeiten macht. Ich beschloß, ihn gewaltsam zum Essen zu bringen, aber er wollte nicht. Ich ließ ihm das Essen übers Gesicht rinnen... Ich war wütend auf mich, daß ich ihn zum Essen zwang, aber noch wütender war ich über ihn, weil er nicht aß.“

Wie nicht anders zu erwarten, gab es auch auf dieses entlarvende Experiment die verschiedensten Reaktionen, manche davon verblüffend.

Zimbardo wurde der Zutritt zu sämtlichen Gefängnissen in Kalifornien untersagt. Psychologen wandten ein, die Freiwilligen hätten sich lediglich so verhalten, wie es Wärter und Häftlinge ihrer Vorstellung nach taten, also im Grunde alles nur geschauspielert. Zimbardo wies in seiner Antwort an die Kritiker darauf hin, daß das Experiment in weniger als der Hälfte der Zeit abgebrochen wurde weil einige der Häftlinge echte Störungen davontrugen und noch lange Zeit danach behandelt werden mußten. Das zu „spielen“ wäre nicht nur eine tolle Leistung, sondern würde wohl übers Ziel hinausschießen. Und einen psychosomatischen Ausschlag vorzugaukeln, das muß erst mal einer zusammenbringen.

Wahrscheinlich scheint, daß die Sache mit einem Rollenspiel begann, das für die Akteure aber dann zur Realität wurde, in der sie sich authentisch verhielten. All das in nur wenigen Tagen. Nicht unähnlich der Auswertung des Milgram-Experimentes, stand für viele am Ende von „Zimbardos Hölle“ die unliebsame Erkenntnis, daß Milieu und Machstruktur, sei es in einem Gefängnis oder in einer Autoritätssituation, nur Verhaltensweisen auslösen können, die im Menschen potentiell vorhanden sind.

Geliebte Autorität: Die Welle

Kalifornien in den 1960er-Jahren. Eine typische High School mit unwilligen, ignoranten Studenten und einem engagierten Lehrer. Geschichtsunterricht. Es geht um ein dunkles Kapitel der deutschen Vergangenheit. Die jungen Amerikaner verstehen nicht, wie Millionen Deutsche auf den (Ver)“Führer“ Hitler hereinfallen konnten. Ihre einhellige Meinung ist: „Ich würde nie zulassen, daß eine kleine Minderheit die Mehrheit bevormundet. Mich brächten ein paar Nazis nicht dazu, so zu tun als würde ich nichts mehr hören und sehen. Das ist lange her. “ Daraufhin beginnt der Lehrer ein Experiment mit fatalen Folgen. Schritt für Schritt, wie die Sache sich auch in den Anfängen der düsteren zwölf Jahre in Deutschland angelassen hat. Was dabei herauskam, soll ein komprimierter Auszug aus „Die Welle - Bericht über einen Unterrichtsversuch, der zu weit ging“ von Morton Rhue sowie aus dem darauf basierenden dokumentarischen Film „Die Welle“ verdeutlichen. Also dann:

Als die Schüler am nächsten Tag langsam und träge wie immer zum Unterricht kommen, fällt ihnen ein mit riesigen Buchstaben an die Tafel geschriebener Satz auf: MACHT DURCH DISZIPLIN.

Der Lehrer erklärt den Stöhnenden, die eine lähmende Vorlesung über Disziplin erwarten: „Wenn ich über Disziplin rede, rede ich auch von der Macht. Und ich rede vom Erfolg. Erfolg durch Disziplin. David, Brian, Eric, ihr spielt Football. Also wißt ich auch, daß Disziplin notwendig ist, wenn man gewinnen will.“ Das leuchtet ein. Nach ein paar weiteren Beispielen fragt ein Schüler, der auf seinem Stuhl mehr liegt als sitzt: „Ja und?“

„Nehmen wir einmal an“, sagt der Lehrer, „ich könnte euch beweisen, daß wir durch Disziplin Macht gewinnen können. Nehmen wir an, wir könnten das gleich hier im Klassenzimmer tun. Was würdet ihr dazu sagen?“

Ben Ross (der Lehrer) hatte als Reaktion darauf irgendeinen Witz erwartet, und er war überrascht als der ausblieb. Das Interesse und die Neugier der Schüler schienen geweckt zu sein. „Also gut“, sagte er. „Disziplin beginnt mit der Haltung. Amy, komm bitte einmal her!“

Als Amy sich vor den anderen auf den Stuhl gesetzt hatte, erklärte er ihr, wie sie sitzen sollte. „Kreuze die Hände auf dem Rücken und sitze absolut aufrecht. Merkst du, daß du jetzt leichter atmen kannst?“ Mehrere Schüler machten Amys Haltung nach.

„Klasse!“ sagte er (Ben Ross). „Ich möchte, daß ihr euch alle anseht, wie Robert sitzt. Die Beine sind parallel, die Füße berühren einander, die Knie sind in einem Winkel von neunzig Grad gebeugt. Sehr ihr, wie senkrecht seine Wirbelsäule sitzt? Das Kinn ist angezogen, der Kopf gehoben. Das ist sehr gut, Robert!“. Robert, der Prügelknabe der Klasse, sah seinen Lehrer an und lächelte kurz, dann verfielt er wieder in seine steife Haltung.

Ben ging nach vorn. „Gut, und jetzt möchte ich, daß ihr alle aufsteht und in der Klasse auf und ab geht. Sobald ich es befehle, kehrt jeder so schnell wie möglich an seinen Platz zurück und nimmt die soeben eingeübte Haltung ein. Los, aufstehen!“

Zwanzig Minuten lang übte die Klasse aufzustehen, in scheinbarer Unordnung durch die Klasse zu schlendern und auf Befehl des Lehrers schnell die Plätze zurückzukehren und die richtige Haltung einzunehmen. Ben gab seine Befehle nicht wie ein Lehrer, sondern wie ein Unteroffizier auf dem Kasernenhof.

„Und nun gibt es noch drei Regeln, die ihr zu beachten habt“, erklärte Ben. „Erstens: Jeder muß Block und Kugelschreiber für Notizen bereithalten. Zweitens: Wer eine Frage stellt oder beantwortet, muß aufstehen und sich neben seinen Stuhl stellen. Drittens: Jede Frage oder Antwort beginnt mit den Worten ‚Mr. Ross'. Ist das klar. Alle nickten.

„Du bist noch zu langsam, Brad“, erklärte der Lehrer nach einigen schlappen Versuchen, das System zu erproben. „Von jetzt an antwortet jeder so kurz wie möglich, und ihr spuckt die Antwort förmlich aus, sobald ihr gefragt wurdet.

Er stellte viele Fragen, und immer sprangen seine Schüler auf und bewiesen, daß sie nicht nur die richtigen Antworten kannten, sondern auch die Form beherrschten, in der sie zu geben waren. Es herrschte eine völlig andere Atmosphäre als sonst in der Klasse.

Die Glocke läutete zum Ende der Stunde, doch in der Klasse verließ niemand seinen Platz. Noch ganz mitgerissen vom Fortschritt, den die Klasse heute erzielt hatte, erteilte Ben den letzten Befehl des Tages. „Heute abend lest ihr das siebte Kapitel zu Ende und beginnt das Kapitel acht. Weggetreten!“ Es sah aus, als stünde die Klasse in einer einzigen gemeinsamen Bewegung auf; dann eilten die Schüler in bemerkenswerter Ordnung hinaus.

„Mann, das war toll! Sagte Brian in einer für ihn ganz untypischen Begeisterung.

„So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gefühlt!“ sagte Eric.

„Es war wirklich anders als sonst“, sagte David. „Es war so, als hätten wir alle gemeinsam etwas getan. Wir waren nicht einfach nur eine Klasse: wir waren eine Einheit. Erinnert ihr euch, was Mr. Ross über Macht gesagt hat? Ich glaube, er hat recht. Habt ihr das nicht auch gefühlt?“

Während David sich noch im Toilettenraum aufhielt, hörte er das zweite Läuten, das den Beginn der nächsten Schulstunde ankündigte. Vor den Spiegeln stand nur noch ein einziger Schüler: Robert. Er stopfte sein Hemd in den Gürtel und bemerkte nicht, daß er nicht allein war. Während David im zusah, strich der absolute Versager der Klasse sich das Haar glatt und betrachtete sein Spiegelbild. Dann stand er plötzlich ganz starr und steif aufgerichtet da. Nur seine Lippen bewegten sich wie zu einer Antwort. David blieb wie gebannt stehen, während Robert die richtige Haltung bei der Beantwortung einer Lehrerfrage einübte.

(Am Abend kommt es zu einem Gespräch zwischen dem Lehrer und seiner Frau.) „Weißt du“ sagte er, „ich war überzeugt, sie hätten etwas dagegen, sie würden sich nicht zwingen lassen, wie die Puppen zu sitzen, aufzuspringen und ihre Antworten herauszuschreien. Aber sie haben sich so benommen, als hätten sie ihr Leben lang auf so etwas gewartet. Sie mußten dieses Spiel nicht spielen, sie wollten es. Und was ich am unheimlichsten fand: Sobald wir einmal angefangen hatten, spürte ich, daß sie mehr davon wollten. Sie wollten diszipliniert werden. Und jedesmal, wenn sie eine neue Regel beherrschten, wollten sie eine neue. Als es am Ende der Stunde läutete, blieben sie auf ihren Plätzen sitzen. Ich bin ganz sicher, daß es für sie mehr als ein Spiel war.“

Was am nächsten Tag geschah, empfand Ben als völlig ungewöhnlich. Diesmal kamen seine Schüler nicht nach dem Läuten allmählich in die Klasse geschlendert, sondern er selbst kam zu spät weil er etwas vergessen hatte. Als er dann in die Klasse stürzte, erwartete er eine Art Irrenhaus vorzufinden, doch er erlebte eine Überraschung. Im Klassenzimmer standen fünf säuberliche Tischreihen von je sieben Tischen, und an jedem Platz saß ein Schüler in der steifen Haltung, die Ben gestern „vorgeschrieben“ hatte. Es herrschte Stille, und Ben ließ seinen Blick ein wenig ratlos durch die Klasse wandern. Sollte das ein Spaß sein?

„Also“, sagte er und legte seine Notizen beiseite, „was geht hier vor? Robert?“

Robert Billings (der Versager und Prügelknabe) sprang auf. Sein Hemd steckte säuberlich im Gürtel, sein Haar war gekämmt. „Mister Ross, Disziplin!“

„Ja, Disziplin“, stimmte Mr. Ross zu. „Aber das ist nur ein Teil von allem. Es gehört noch mehr dazu.“ Er wandte sich zur Wandtafel, und unter die gestrigen Worte MACHT DURCH DISZIPLIN schrieb er: GEMEINSCHAFT. Dann wandte er sich wieder der Klasse zu. „Gemeinschaft ist das Band zwischen Menschen, die für ein gemeinsames Ziel arbeiten und kämpfen. Das ist schon so, wenn man gemeinsam mit seinen Nachbarn eine Scheune baut. Es ist das Gefühl, Teil eines Ganzen zu sein, das wichtiger ist, als man selbst. Man gehört zu einer Bewegung, einer Gruppe, einer Überzeugung. Man ist einer Sache ganz ergeben... “

„So eine Gemeinschaft ist gar nicht schlecht“, murmelte einer, doch seine Nachbarn brachten ihn schnell zum Schweigen.

Ross: „Es ist genau wie mit der Disziplin: Um die Gemeinschaft zu begreifen, muß man sie erfahren und daran teilhaben. Von diesem Augenblick an lauten unsere beiden Grundsätze: MACHT DURCH DISZIPLIN und MACHT DURCH GEMEINSCHAFT. Und jetzt wiederholen wir alle diesen beiden Grundsätze.“ Alle Schüler im Raum stellten sich neben ihre Plätze und wiederholten „Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinschaft!“ Einige wenige zieren sich zuerst, machen aber dann auch mit.

„Und nun brauchen wir ein Symbol für unsere neue Gemeinschaft“, erklärte Ross. „Das soll unser Symbol sein (er zeichnet einen Kreis mit einer Wellenlinie). Eine Welle bedeutet Veränderung. In ihr vereinigen sich Bewegung, Richtung und Wucht. Von jetzt an trägt unsere Gemeinschaft, unsere Bewegung, den Namen ‚Die Welle'. Und das wird unser Gruß sein“, fuhr er dann fort, wölbte die rechte Hand wie eine Welle, führte sie an die linke Schulter, nach oben geöffnet. „Alle grüßen!“ befahl er. Alle führten den Gruß aus, wie er es gezeigt hatte.

„Gut“, sagte er dann. Wieder verspürte die Klasse jenes Kraftgefühl und jene Einheit wie am Tag zuvor. „Dies ist unser Gruß und ausschließlich unser Gruß“, erklärte Ben. „Jedesmal, wenn ihr ein Mitglied unserer Bewegung seht, werdet ihr auf diese Weise grüßen. (Der Lehrer übt das bis die ganze Klasse unisono grüßt einstimmig ausruft „Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinschaft!“) Wie ein Regiment Soldalten, dachte Ben. Genau wie ein Regiment!

(Die Schüler erzählen ihren Eltern von ihren Erfolgen und von „Der Welle“. Die Eltern meinen, ihren unwilligen Nachkommen könnte etwas Zucht, Ordnung und Gemeinschaftsgeist gar nicht schaden. Ihren eigenen Firmen übrigens auch nicht. Der Lehrer ist vom Erfolg selbst verblüfft und fasziniert, und wird immer mehr in sein eigenes Experiment hineingezogen, das ihn nicht mehr losläßt. Jetzt will er wissen, wie es ausgeht...)

Als die Schüler an diesem Morgen die Klasse betraten, sahen sie, daß an der hinteren Wand ein großes Poster mit der symbolischen Darstellung einer blauen Welle angebracht war. Mr. Ross war heute anders als sonst gekleidet. Während er sonst eher lässig wirkte, trug er heute einen blauen Anzug mit weißem Hemd und Krawatte. (Der Lehrer verteilt kleine Karten an die Schüler.)

„Jeder ist jetzt im Besitz einer Mitgliedskarte“, sagte er. „Wenn ihr sie umdreht, so werdet ihr bemerken, daß manche Karten mit einem roten X gekennzeichnet sind. Wer dieses rote X auf seiner Karte findet, ist ein Helfer und wird mir künftig jedes Mitglied der Welle melden, das die Regeln verletzt.“ (Nach einer Frage um den Zweck der Karten erklärt Ross:) „Die Karten sind nur ein Beispiel dafür, wie eine Gruppe sich verwalten kann.“ Ben drehte sich zur Wandtafel und schrieb zu den Sätzen MACHT DURCH DISZIPLIN und MACHT DURCH GEMEINSCHAFT das Wort HANDELN. „Nachdem wir jetzt wissen, was es mit Disziplin und Gemeinschaft auf sich hat“, erklärte er der Klasse, müssen wir über das Handeln nachdenken. Im Grunde sind Disziplin und Gemeinschaft sinnlos, wenn sie nicht zum Handeln führen. Die Disziplin gibt uns das Recht zum Handeln. Eine disziplinierte Gruppe mit einem gemeinsam Ziel kann auch gemeinsam handeln, um dieses Ziel zu erreichen. Sie muß es sogar tun, wenn sie dieses Ziel zu erreichen will. Glaubt ihr an die Welle ?“

Das Zögern dauerte nur einen Augenblick, dann sagten alle wie mit einer Stimme: „Mr. Ross, jawohl!“

„Setzt euch!“ befahl Mr. Ross. Der Lehrer fuhr fort: „Unsere erste Aufgabe wird es sein, neue Mitglieder für die Welle zu gewinnen. Um Mitglied der Welle werden zu können, muß der Bewerber nachweisen, daß er unsere Regeln kennt, und er muß geloben, ihnen strikt zu gehorchen.“

David lächelte, als Eric zu ihm herüber schaute und ein Auge zukniff. Genau das hatte er hören wollen. Es war also nicht falsch, andere für die Welle zu begeistern.

(Am Ende der Stunde meldet sich der Schüler George und stellt fest:) „Mr. Ross, ich fühle zum ersten Mal, daß ich Teil von etwas bin, und ich finde das großartig!“ (Der Klassenversager Robert springt auf.) „Mr. Ross“, sagt er stolz, ich weiß genau, was George meint. Man fühlt sich wie neugeboren.“ (Andere fallen ein. Die Zustimmung gipfelt in der Aussage von David:) „Mr. Ross, ich bin stolz auf die Welle !“

(Der Lehrer spürt, daß alle von ihm Führung erwarten, und daß er diese Führung nicht verweigern darf. Er befiehlt:) „Unser Gruß!“, und sofort springen alle auf und grüßen, wie es den Regeln der Welle entsprach. Danach sprechen sie gemeinsam ihre Grundsätze. (Dem Lehrer ist klar, daß die Welle für seine Klasse zu einer lebendigen Bewegung geworden ist.) Das Experiment wurde immer interessanter.

(Die Schüler diskutieren. Der kritischen Laurie ist die Sache unheimlich. Ihre Bedenken werden mit dem Argument bekämpft, nun gäbe es keinen Außenseiter mehr, alle seien gleich, Teile einer einzigen Gemeinschaft. Das will jeder sein. Das erste Mal taucht der Gedanke auf, „Abweichler“ wie Laurie dem Lehrer wegen „Gemeinschaftssabotage“ zu melden. Die Zahl der Teilnehmer am Geschichtskurs von Mr. Ross nimmt zu, weil die „Mitgliederwerbung“ außerhalb der Klasse großen Erfolg hat. Schüler schwänzen sogar anderen Unterricht, um bei Ross zuhören zu können.)

Seltsamerweise blieben die Schüler im Stoff nicht etwa zurück weil Zeit für Zeremonien und das Aufsagen der Grundsätze verwendet wurde; vielmehr schienen alle den Stoff schneller zu bewältigen als zuvor. (Das schnelle Frage- und Antwort-Ritual trägt dazu bei, allerdings wird der Inhalt des Unterrichts weniger analysiert und hinterfragt als vorher. Dafür wird die Footballmannschaft effektiver und erfolgreicher. Die Eigendynamik der Welle wächst. Die Mitgliederwerbung wird aggressiver. Es kommt zu versteckten Drohungen gegen Beitrittsunwillige: „Wenn du nicht bald beitrittst, ist es zu spät!“)

Auf dem Rückweg vom Büro des Direktors (wo er sich den Sanktus für die Weiterführung des Experiments geholt hat) sah Ben mehrere Schüler, die in der Halle eine große Fahne mit dem Zeichen der Welle aufhängten. Es waren jetzt noch mehr Schüler als vorhin auf dem Gang und in der Halle, und es kam ihm vor, als müsse er unaufhörlich grüßen. Brad und Eric standen an einem Tisch und verteilten Flugblätter, während sie immer wieder riefen: „MACHT DURCH DISZIPLIN. MACHT DURCH GEMEINSCHAFT! MACHT DURCH HANDELN!“

Überall in der Schule klebten jetzt Poster der Welle . Ben fand es fast überwältigend. Ein Stückchen weiter hatte er das seltsame Gefühl, es folge ihm jemand. Einen Meter hinter ihm stand Robert (der Ex-Versager und Sonderling) und lächelte. Ben lächelte zurück und ging weiter. Robert war immer noch hinter ihm. „Robert, warum machst du das?“ fragte Mr. Ross.

„Mr. Ross, ich bin Ihr Leibwächter“, erklärte Robert. „Ich möchte gern Ihr Leibwächter sein. Ich meine, Sie sind doch der Führer, Mr. Ross. Ich kann nicht zulassen, daß Ihnen irgend etwas zustößt! Ich weiß, daß Sie einen Leibwächter brauchen, und ich könnte das, Mr. Ross. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl...Wirklich, niemand macht sich mehr über mich lustig. Ich habe das Gefühl, daß ich zu etwas ganz Besonderem gehöre.“

Ben zögerte. Ging das nicht zu weit? Immer deutlicher erkannte, er welche Rolle seine Schüler ihm aufzwangen. Er war der oberste Führer der Welle . Im Laufe der letzten Tage hatte er mehrmals gehört, daß Mitglieder über „Befehle“ sprachen, die er gegeben hatte (um die Welle auszudehnen). Seltsam war nur, daß er diese Befehle niemals gegeben hatte. Irgendwie waren sie in den Gedanken der Schüler entstanden. Es war so, als hätte die Welle ein eigenes Leben gewonnen. Er wußte, wenn er Robert Billings jetzt erlaubte, die Rolle eines Leibwächters zu spielen, willigte er damit ein, selbst zu einem Menschen zu werden, der einen Leibwächter brauchte. Aber gehörte das nicht auch zu dem beabsichtigten Ergebnis? „Also gut, Robert“, sagte er. „Du darfst mein Leibwächter sein.“

(Die Verselbständigung der Welle geht weiter. ‚Die Schüler von Ross erklären, er sei die geborene Führernatur. Ein Schüler soll aus der Fußballmannschaft geworfen werden, weil er kein Mitglied der Welle und daher „nicht gemeinschaftlich“ ist. Pärchen „gehen nicht mehr mit einander“ weil der Junge für und das Mädchen gegen die Welle ist. Welle -kritische Schüler werden zusammengeschlagen. Schülern wird der Zutritt als Zuschauer beim Footballmatch verwehrt, wenn sie nicht den Welle -Gruß ausbringen. Schüler werden gewarnt, es könnte bemerkt werden, wenn sie Welle -Versammlungen fernbleiben. Freundschaften zerbrechen. Auch das Lehrerkollegium wird unruhig und spaltet sich. Die aufmüpfige Laurie schreibt als Chefredakteurin der Schülerzeitung in einer Sonderausgabe mehr als kritisch über die Welle und ihre Auswirkungen. Der zu Leibwächterehren aufgestiegene Ex-Prügelknabe Robert stellt daraufhin fanatisch fest:) „Laurie Saunders ist eine Bedrohung. Man muß sie an ihren Plänen hindern.“ (Lauries früherer Freund und Welle -Aktivist, will Laurie überzeugen. Als sie „uneinsichtig“ bleibt, übermannt ihn die Wut, und er attackiert sie, ist danach aber darüber selbst entsetzt. Alles eskaliert. Der Lehrer sieht sich gezwungen, das Experiment zu beenden, allerdings wählt er den Abschluß, der er für pädagogisch richtig hält. Er hat selbst erfahren, was es heißt, von der Macht verführt zu werden.)

Im Geschichtsunterricht dieses Tages wartete Ben bis die Schüler neben ihren Plätzen standen, dann sagte er: „Ich habe euch eine besondere Mitteilung zur Welle zu machen. Heute um fünf Uhr findet eine Versammlung in der Aula statt. Nur Mitglieder der Welle sind zugelassen. Der Grund für die Versammlung ist folgender: Die Welle ist nicht nur ein Unterrichtsexperiment. Sie ist viel mehr. Ohne daß ihr es wußtet, haben in der vergangen Woche Lehrer wie ich im ganzen Land eine Jugendbrigade rekrutiert und herangebildet, um dem Rest unseres Volkes zu zeigen, wie man eine bessere Gesellschaft begründen kann. Wie ihr wißt, hat dieses Land ein Jahrzehnt mit ständig wachsenden Inflationsraten hinter sich, die Wirtschaft ist schwächer geworden, die Arbeitslosigkeit chronisch, und die Verbrechen häufen sich. Nie zuvor war es um die Moral der Vereinigen Staaten so schlecht bestellt. Wenn dieser Trend nicht aufgehalten wird, dann wird nach der Meinung einer wachsenden Zahl von Menschen, zu denen die Begründer der Welle gehören, unser Land zum Untergang verurteilt sein. Wir müssen beweisen, daß durch Disziplin, Gemeinschaft und Handeln dieses Land verändert werden kann. Bedenkt nur einmal, was wir allein in den letzten Tagen an dieser Schule vollbracht haben. Wenn wir die Dinge hier bei uns verändern können, dann können wir es überall. In Fabriken und Krankenhäusern, in Universitäten und allen Institutionen... Und jetzt hört genau zu. Während der Versammlung wird der Begründer und Führer der Welle im Kabelfernsehen erscheinen und die Gründung einer nationalen Jugendbewegung mit dem Namen ‚Die Welle' verkünden.“ Überall begannen die Schüler zu jubeln.

(David und Laurie, die aus der Klasse gewiesen werden, weil sie Einwände erhoben haben, sinnieren über die Vorgänge. Auszugsweise:)

David: „Ich kann es einfach nicht glauben, daß ich auf so etwas reinfallen konnte.“

Laurie: „Du warst nicht dumm, du warst ein Idealist. Es gab ja auch Gutes an der Welle . Es konnte gar nicht alles schlecht sein, sonst hätte sich niemand angeschlossen. Schlimm ist nur, daß kaum jemand das Schlechte daran erkennt.“

David: „Aber warum erkennt das dann sonst niemand?“

Laurie: „Das weiß ich nicht. Ich glaube, sie sind alle wie im Trance. Sie hören einfach nicht mehr zu.“

David: „Plötzlich fühle ich mich allein. Es ist so, als gehörten meine Freunde zu einer verrückten Bewegung, und ich bin ein Ausgestoßener, bloß weil ich mich weigerte, genau wie sie zu sein.“ (Die beiden beschließen, heimlich in der Aula bei der Versammlung dabeizusein.)

Es war unglaublich, fand Ben Ross, als er auf dem Wege zur Aula war. Vor ihm saßen zwei seiner Schüler an einem kleinen Tisch und überprüften Mitgliedskarten. Wellen mitglieder strömten in den Saal. Viele hatten Fahnen und Poster mit dem Zeichen der Welle mitgebracht. Ross konnte den Gedanken nicht verdrängen, daß er vor dem Beginn der Welle eine Woche gebraucht hätte, um so viele Schüler auf die Beine zu bringen. Heute hatten wenige Stunden genügt.

Ben blickte in die gefüllte Aula. Robert trat zu ihm und grüßte „Mr. Ross, alle Türen sind gesichert, die Wächter sind an ihren Plätzen!“

Während er zur Mitte der Bühne ging, blickte Ben schnell auf den Vorhang hinter sich und dann hinauf zur Kabine des Filmvorführers an der Rückwand des Saales. Zwischen zwei großen Fernsehmonitoren, die für heute ausgeliehen worden waren, blieb er stehen. Spontan schickten sich die Mädchen und Jungen dort unten an, die Grundsätze der Welle zu rufen. Und dabei standen sie auf und entboten ihm den Gruß: „Macht durch Disziplin! Macht durch Gemeinschaft! Macht durch Handeln!“

Und dann sprach Ben: „In wenigen Augenblicken wird unser nationaler Führer zu uns sprechen. Robert, schalte die Fernsehgeräte ein.“

Die Bildschirme blieben leer. Kein Gesicht erschien, und kein Geräusch drang aus den Lautsprechern. Unruhe entstand im Saal. Wo blieb ihr Führer? Was wurde von ihnen erwartet? Plötzlich sprang im Publikum ein enttäuschtes Mitglied auf und rief Mr. Ross zu: „Da ist ja gar kein Führer!“

Ben rief: „Doch, da habt ihr euren Führer!“. Auf dieses Stichwort hatte Carl Block hinter der Bühne gewartet. Jetzt öffnete er den Vorhang und gab dadurch eine große Filmleinwand frei. Im selben Augenblick schaltete Alex Cooper im Vorführraum den Projektor ein. „Dort!“ rief Ben. „Dort ist euer Führer!“ Ein riesiges Bild von Adolf Hitler füllte die Leinwand aus.

„Und jetzt hört genau zu!“ rief Ben. „Es gibt keine nationale Bewegung der Welle , es gibt keinen Führer. Aber gäbe es ihn, dann wäre er es. Sehr ihr denn nicht, was auch euch geworden ist. Sehr ihr nicht, in welche Richtung ihr treibt? Wie weit wärt ihr gegangen? Seht euch einmal eure Zukunft an.“

Die Kamera schwenkte vom Gesicht Hitlers auf die Gesichter der jungen Nationalsozialisten, die während des Zweiten Weltkriegs für ihn gekämpft hatten. Viele von ihnen waren noch Jugendliche, manche sogar jünger als einige der Schüler im Saal.“

„Ihr habt euch für etwas Besonderes gehalten!“ erklärte ihnen Ross. „Ihr kamt euch besser vor als alle anderen außerhalb dieser Aula. Ihr habt eure Freiheit gegen das verschachert, was man euch als Gleichheit vorgesetzt hat. Aber ihr habt die Gleichheit in Vorherrschaft über Nicht-Mitglieder verwandelt. Ja, ja, ihr wärt alle gute Nazis gewesen. Ihr habt diejenigen bedroht, die nicht zu euch gehören wollten. Wenn die Geschichte sich wiederholt, dann werdet ihr alle bestreiten wollen, was sich durch die Welle in euch abgespielt. Aber wenn unser Experiment erfolgreich war, und das hoffe ich, dann werdet ihr gelernt haben, daß wir alle für unsere eigenen Taten verantwortlich sind, und daß ihr immer fragen müßt, was besser ist als einem Führer blind zu folgen. Ich weiß, daß es schmerzlich für euch ist, aber in gewisser Hinsicht könnte man sagen, daß keiner von euch wirklich schuldig ist, denn ich habe euch zu all dem gebracht. Ich habe gehofft, die Welle würde zu einer großen Lektion für euch, und vielleicht ist mir das zu gut gelungen. Ich bin sicher viel mehr zum ‚Führer' geworden als ich es wollte. Hoffentlich glaubt ihr mir, wenn ich euch sage, daß es auch für mich eine schmerzliche Lektion war. Ich kann nur noch hinzufügen, daß wir hoffentlich alle diese Lektion für den Rest unseres Lebens beherzigen werden. Wenn wir klug sind, dann werden wir es nicht wagen, sie zu vergessen.

Die Wirkung auf die Schüler war erschütternd. Alle Mädchen und Jungen in der Aula standen langsam auf. Einigen liefen Tränen über die Gesichter, andere wichen den Blicken ihrer Nachbarn verlegen aus. Als sie hinausgingen, ließen sie ihre Poster und Fahnen am Boden zurück. Der Fußboden war schnell mit gelben Mitgliedskarten übersät, und alle Gedanken an militärische Haltung waren vergessen, als sie die Aula verließen. Ben wollte die Bühne verlassen, als er ein Schluchzen hörte. Robert lehnte an einem der Fernsehgeräte, und sein Gesicht war von Tränen überströmt.

Eine Fiktion? Übertrieben? Keineswegs, wie der Nachspann der Kurzfilm-Dokumentation über das Schulexperiment „Die Welle“ mit gleichnamigem Titel aussagt: „Die Handlung ist nicht erfunden: sie geht zurück auf die Erfahrungen mit einer Hochschulklasse in Palo Alto, Kalifornien, im April 1967. Eine T.A.T. Communications Company Production © 1981“

„Das fatale Dreieck“ ist gekürzt entnommen dem Buch von Viktor Farkas „Zukunftsfalle - Zukunftschance“.

 

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